Anbaubalkone: Nicht immer ist eine Baugenehmigung notwendig

Der Volksmund spricht vom “Urlaubsort Balkonien”: Der Freisitz ist im Sommer oft das zweite Wohnzimmer und erhöht auch den Wert einer Mietimmobilie. “Anbaubalkone sind vor allem für Mehrfamilienhäuser gefragt, bei Einfamilienhäusern geht es meist um den direkten Zugang zum Garten aus dem Obergeschoss oder darum, auch noch eine andere Himmelsrichtung als die der Terrasse ausnutzen zu können”, erklärt der Architekt Franz Gradinger vom Architekturbüro Gradinger und Witz in Ettlingen.

Ob man für einen Anbaubalkon eine Baugenehmigung benötige oder nicht, sei nicht allgemein zu beantworten, erläutert der Architekt: “Jedes Bauordnungsamt und das jeweils geltende Landesbaurecht sehen das ein bischen anders. Es kommt darauf an, ob der Balkon als untergeordnetes Bauteil betrachtet wird – dann ist er genehmigungsfrei – oder als wichtiges Bauteil, für das man einen Genehmigung braucht.” Wer über einem öffentlichen Gehweg Balkone bauen möchte, brauche auf jeden Fall die Genehmigung der Stadt oder Gemeinde: “Solche Genehmigungen werden meist auf Widerruf erteilt, das heißt, der Balkon muss auf Kosten des Bauherrn wieder abgerissen werden, wenn die Stadt das fordert. Das kommt selten vor, kann aber passieren.”

Auf jeden Fall empfehle es sich, die schriftliche Zustimmung der Nachbarn einzuholen: “Sonst kann das Bauordnungsamt sich immer darauf zurückziehen, dass die Nachbarn nicht gefragt wurden und nicht einverstanden sind.” Außerdem müssten die nachbarschützenden Grenzabstände nach Landesbaurecht eingehalten werden. Bei Eigentumswohnungen sei außerdem die Zustimmung der weiteren Miteigentümer erforderlich. Die Mitbewohner im selben Haus zu fragen, habe auch einen ganz praktischen Vorteil: “Werden zeitgleich mehrere Balkone an einem Haus gebaut, kann es für den Einzelnen deutlich günstiger werden.”

Platz für Tisch und Stühle sollte sein

In welche Himmelsrichtung der Balkon weisen sollte, sei eine Frage, die jeder für sich und nach seinen Lebensumständen entscheiden müsse: “Hier ist alles möglich, vielen Leuten ist es im Hochsommer auf einem Südbalkon zu heiß, wer den Balkon primär abends nutzt, für den ist der Westen die richtige Richtung. Auch mehrere Balkone in verschiedene Himmelsrichtungen sind schön, da kann man im Laufe des Tages von Freisitz zu Freisitz der Sonne – oder dem Schatten – hinterherwandern.”

Auch der Raum, an den der Balkon angebracht wird, muss sorgsam ausgewählt werden, sagt Gradinger: “Ideal ist das Wohn- oder Esszimmer, auch ein Balkon mit Zugang zur Küche hat seine Vorteile.” Bei der Größe sollte man sich am praktischen Nutzen orientieren, findet der Fachmann: “Einen Tisch und vier Stühle sollte man schon stellen können, also sollte die Tiefe mindestens 1,80 Meter betragen. Ein zehn Meter langer Balkon mit geringer Tiefe bringt Ihnen wenig.”

Das Material sei primär eine Frage des persönlichen Geschmacks und des Hausstils. Bei Holzbalkonen seien allerdings die Unterhaltskosten relativ hoch, weil regelmäßig gestrichen werden müsse: “Das ist schon was für Fans, besonders, wenn man heimische Hölzer verwendet.”

Anbau- oder Vorstellbalkon?

Anbaubalkone gebe es grundsätzlich in zwei Varianten, mit zwei und vier Beinen, erläutert Friedrich Reckermann, Geschäftsführer des Unternehmens “Die Balkonbauer” in Ahlen. “Das ist zum einen eine gestalterische Entscheidung, hat aber auch mit der Statik des Gebäudes zu tun. Bei einem Altbau mit Holzdecken können die Lasten nicht ins Gebäude abgeleitet werden, der Balkon muss also alleine stehen.” Hier ist die vierbeinige Variante, der Vorstellbalkon, gefragt. Für den Anbaubalkon benötige man eine Betondecke mit mindestens 14 cm Auflagefläche: “Die Konstruktion ist natürlich filigraner.”

Sind Stützen nicht möglich, weil sie Parkplätze, Einfahrten oder Bürgersteige versperren würden, ließen sich bei entsprechender Statik des Hauses auch freitragende Balkone nachrüsten: «Die werden entweder mit Zugstangen abgehangen oder mit einer Unterkonstruktion, einem Stahlwinkel am Haus, angebracht.» Dies sei allerdings die deutlich teuerste Variante. Für geständerte Balkone müsse man in der Standardgröße von 3,30 Meter mal 1,70 Meter mit 3.500 bis 4.000 Euro pro Balkon in der einfachsten Ausstattung rechnen, wenn mehrere Balkone auf das gleiche Fundament gesetzt werden könnten.

Wer in diesem Jahr noch den Sommer auf dem eigenen Balkon genießen möchte, sollte das Projekt schnell in Angriff nehmen, rät Architekt Gradinger: “Es sind viele Gewerke und viele Beteiligte nacheinander zu koordinieren: Der Rohbauer, der das Fundament legt, der Balkonbauer, der Bodenleger, der Fensterbauer, der Gipser, oft braucht man auch noch einen Elektriker … mit sechs bis acht Wochen ab erteilter Baugenehmigung, falls diese nötig ist, sollte man schon rechnen.” Das eigentliche Aufstellen des Balkons sei dagegen in ein bis zwei Tagen erledigt.