Sie kommen aus Rumänien, Polen oder Kroatien. Sie stechen Spargel, pflücken Erdbeeren oder jäten Unkraut auf deutschen Feldern. Mehr als 300.000 Erntehelfer aus osteuropäischen Staaten unterstützen jedes Jahr deutsche Landwirte bei der Ernte. Auch sie haben seit dem 1. Januar Anspruch auf einen Mindestlohn.
Es ist aber zweifelhaft, ob die Arbeiter, die zum Teil schon seit Generationen in der Erntesaison nach Deutschland kommen und sogar auf Wartelisten für diesen lukrativen Job stehen, davon profitieren.
Ausnahme Landwirtschaft
Seit Anfang des Jahres gilt hierzulande ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro brutto pro Stunde. Doch keine Neuregelung ohne Ausnahmen. Wie etwa in der Landwirtschaft: Hier Beschäftigte erhalten seit Anfang der Jahres im Westen einen Stundenlohn von 7,40 und im Osten von 7,20 Euro brutto. Grundlage ist ein nach den Vorschriften des Arbeitnehmer- Entsendegesetzes (AentG) für allgemeinverbindlich erklärter Mindestlohntarifvertrag. Er gilt damit für alle in der Branche beschäftigten Arbeitnehmer. Nach diesem Tarifvertrag erhöht sich der Lohn zu Beginn nächsten Jahres im Westen auf 8,00 Euro und im Osten auf 7,90 Euro. Ab dem 1. Januar 2017 gibt es bundesweit mindestens 8,60 brutto und ab dem 1. November 2017 9,10 Euro. Nach Schätzung der ARAG Experten könnten sich die Mindestlöhne aber schon bald in erhöhten Preisen für Ernteprodukte niederschlagen. Dann kommt es auf den Verbraucher an, ob er künftig bereit ist, für das Schälchen Erdbeeren oder das Pfund frischen deutschen Spargel tiefer in die Tasche zu greifen und damit faire Preise für harte Arbeit zu bezahlen.
Die verflixte Bürokratie
Der Lohn muss nach der neuen Regelung spätestens am Ende des Folgemonats, in dem die Arbeit geleistet wurde, gezahlt werden. Auch Überstunden, die in der Landwirtschaft zulässig und durchaus üblich sind, müssen am Monatsende bezahlt werden. Wer also wann wie lange gearbeitet hat, muss minutiös dokumentiert werden, was viel Zeit in Anspruch nimmt. ARAG Experten weisen auf ein weiteres, ganz praktisches Problem hin: Früher bekamen die Helfer den Lohn am Ende der Saison. Denn die meisten ausländischen Erntehelfer haben kein Bankkonto und wissen nicht, wo sie ihr Geld in der Zwischenzeit sicher lagern sollen. Abhilfe schaffen jetzt Verwahrungsverträge, bei denen das Geld bis zum Ende des Arbeitseinsatzes vom Landwirt verwahrt wird – auch dies verbunden mit mehr bürokratischem Aufwand.
Mit Wohn- und Essenskosten tricksen
Wird Unterkunft und Verpflegung vom Arbeitgeber gewährt, muss das nach Auskunft der ARAG Experten in einem separaten Vertrag vereinbart und die anfallenden Kosten mit dem Arbeitslohn aufgerechnet werden. Eine unmittelbare Anrechnung als Sachleistung auf den Arbeitslohn ist bei den Arbeitnehmern, die dem oben genannten Mindestlohntarifvertrag unterfallen, nicht zulässig. Entsprechend dem für alle anderen Saisonarbeitskräfte geltenden Anrechnungsverfahren dürfen dabei monatlich für Frühstück 49 Euro und für Mittag- und Abendessen je 90 Euro aufgerechnet werden. Für die Unterkunft darf der Chef bei Belegung mit einem Beschäftigten maximal 223 Euro im Monat berechnen. Die ARAG Experten weisen jedoch darauf hin, dass diese Kosten erst dann gegenüber dem Lohnanspruch aufgerechnet werden dürfen, wenn dieser über der so genannten Pfändungsgrenze liegt. Diese Grenze hängt von der Anzahl der Personen ab, für die ein Arbeitnehmer Unterhalt bezahlen muss. Hat der Erntehelfer beispielweise eine Frau und zwei Kinder, darf ihm ab dem 1. Juli 2015 bis zu einem Nettoeinkommen von 1.928,38 Euro nichts vom Lohn abgezogen werden. Diese detaillierten Regeln sollen verhindern, dass mit Wohn- und Essenskosten die Löhne kleingetrickst werden.
Mindestlohn in anderen europäischen Ländern
Natürlich geht es immer besser, aber – wie ein Blick auf einige europäische Nachbarn zeigt – auch deutlich schlechter. In der Spitzengruppe der Mindestlöhne liegen Luxemburg mit 10,83 Euro oder Frankreich mit 9,43 brutto pro Stunde weit vorne. Auch in Belgien (9,10 Euro) und den Niederlanden (9,01 Euro) ist das Mindestlohn-Niveau hoch. Großbritannien bildet mit 7,63 Euro das Schlusslicht dieser Gruppe. Dem mittleren Bereich gehören allesamt Staaten aus Süd- und Osteuropa an: So liegt der Mindestlohn in Slowenien bei 4,53 Euro die Stunde, es folgen Malta (4,06 Euro) und Spanien (3,91). Ob der Mindestlohn sich in Griechenland bei 3,35 halten wird, wagen die ARAG Experten angesichts der aktuellen Schuldenkrise nicht zu sagen. Das Ende dieser Gruppe bilden Portugal mit 2,92 und Polen mit 2,21 Euro. Die Schlusslichter in puncto Mindestlohn bilden Bulgarien und Rumänien. Hier verdient man nicht einmal einen Euro pro Stunde, sondern nur 95 bzw. 92 Cent brutto.
Autor: Redaktion / ARAG