Rückenschmerzen: Ärzte und Patienten reagieren oft übertrieben – Was hilft bei Rückenleiden?

Rückenschmerzen: Ärzte und Patienten reagieren oft übertrieben - copyright: pixabay.com
Rückenschmerzen: Ärzte und Patienten reagieren oft übertrieben
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Beim Auftreten von Rückenschmerzen reagieren Ärzte und Patienten häufig übertrieben, wie der neue “Faktencheck Rücken” der Bertelsmann Stiftung zeigt. Demnach sind Betroffene unsicher und erwarten zu schnell eine ärztliche Einschätzung auf Basis bildgebender Verfahren. Behandelnde Ärzte rücken die überzogenen Hoffnungen ihrer Patienten oft nicht zurecht.

Bei Rückenschmerzen sind Arztbesuche oft unnötig

Jeder fünfte gesetzlich Versicherte geht mindestens einmal im Jahr wegen Rückenleiden zum Arzt – 27 Prozent davon suchen sogar vier Mal oder öfter einen Arzt auf. Dabei wären viele von den in Deutschland jährlich mehr als 38 Millionen rückenschmerzbedingten Besuchen bei Haus- oder Fachärzten und den dabei veranlassten sechs Millionen Bildaufnahmen vermeidbar. Jeder Zweite ist davon überzeugt, dass man immer einen Arzt aufsuchen muss. 60 Prozent der Bevölkerung erwarten außerdem schnellstens eine bildgebende Untersuchung – durch Röntgen-, Computertomografie- (CT) und Magnetresonanztomographie-Aufnahmen (MRT).

Dabei können Ärzte nur bei höchstens 15 Prozent eine Schmerzursache feststellen. Die meisten Bilder verbessern oft also weder Diagnose noch Behandlung. Die falschen Erwartungen rücken Ärzte oft nicht zurecht. Dadurch kommt es neben zu vielen Arztbesuchen auch zu unnötig vielen Bildaufnahmen. “Oft werden die Befunde der Bildgebung überbewertet. Dies führt zu unnötigen weiteren Untersuchungen und Behandlungen, zur Verunsicherung des Patienten und kann sogar zur Chronifizierung der Beschwerden beitragen”, verdeutlicht Jean-Francois Chenot von der Universität Greifswald.

Umdenken in der Diagnostik zu Rückenschmerzen

Die bildgebende Diagnostik erfolgt zudem oft vorschnell. Bei 22 Prozent wurde eine Aufnahme vom Rücken bereits im Quartal der Erstdiagnose angeordnet. Bei jedem zweiten Betroffenen wurde ein Bild veranlasst, ohne vorher einen konservativen Therapieversuch, zum Beispiel mit Schmerzmitteln oder Physiotherapie, unternommen zu haben. 85 Prozent der akuten Rückenschmerzen gelten als medizinisch unkompliziert und nicht spezifisch. Ärztliche Leitlinien empfehlen bei Rückenschmerzen ohne Hinweise auf gefährliche Verläufe (beispielsweise Wirbelbrüche oder Entzündungen), körperliche Aktivitäten so weit wie möglich beizubehalten, Bettruhe zu vermeiden und keine bildgebende Diagnostik durchzuführen.

Ärzte weichen von diesen wissenschaftlichen Empfehlungen jedoch häufig ab. So wird 43 Prozent der Betroffenen Ruhe und Schonung empfohlen. Zudem verstärken Ärzte oft das Krankheitsgefühl der Betroffenen, anstatt sie zu beruhigen. 47 Prozent der Betroffenen wird vermittelt, dass der Rücken “kaputt” oder “verschlissen” sei. “Ärzte müssen falsche Kenntnisse und Erwartungen von Patienten korrigieren. Nur so werden sie ihrem eigenen Anspruch als vertrauenswürdige Experten gerecht”, so Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann Stiftung.

Mit simplen Maßnahmen kann man Rückenschmerzen vorbeugen

Rückenschmerzen sind kein Schicksal - schon bei einfachen Alltagsverrichtungen wie dem Heben eines Bierkastens kann man sein Kreuz schonen. - Foto: djd / Brauerei C. & A. Veltins
Rückenschmerzen sind kein Schicksal – schon bei einfachen Alltagsverrichtungen wie dem Heben eines Bierkastens kann man sein Kreuz schonen.
Foto: djd/Brauerei C. & A. Veltins

Die Kiste Wasser und der Kasten Bier aus dem Getränkemarkt, der große Wochenendeinkauf im Supermarkt oder das teure Fahrrad, das regelmäßig in die Wohnung gehievt werden muss: Das Heben schwerer Lasten gehört für die meisten Menschen zumindest gelegentlich zum Alltag. Macht man dabei etwas falsch, sind häufig Kreuzschmerzen und Verspannungen die Folge. Neben Bewegungsmangel, einer einseitigen Belastung am Arbeitsplatz oder etwa Übergewicht zählt das falsche Heben somit zu den Risikofaktoren für die Volkskrankheit Rückenschmerz.

Mit geradem Rücken in die Knie gehen

Bei bereits vorhandenen Rückenbeschwerden sollte man sich nicht übermäßig schonen, sondern die Rückenmuskulatur moderat aktivieren. Nur so kann die Entstehung eines Teufelskreises aus mangelnder Bewegung, Rückenschmerzen und noch weniger Bewegung durchbrochen werden. Besonders wichtig zur Vorbeugung eines Hexenschusses oder eines Bandscheibenvorfalls ist es, hektische und ruckartige Drehbewegungen zu unterlassen. Vor allem aber sollte man dann keine kombinierten Bück-Dreh-Bewegungen mit schweren Lasten vornehmen – dies kann fatale Folgen haben. Wer beispielsweise einen Kasten Bier transportieren will, sollte beim Anheben mit geradem Rücken in die Knie gehen und die Last beim Transport dicht am Körper halten.

Rückenübungen für den Alltag

Um Rückenschmerzen vorzubeugen und bereits bestehende Beschwerden zu lindern, ist ein Mix aus Dehn-, Kräftigungs- und Koordinationsübungen sinnvoll. Die Aktion Gesunder Rücken e.V. (AGR) beispielsweise hat gemeinsam mit den Experten der Konföderation der deutschen Rückenschulen (KddR) einfache Übungen zusammengestellt, die sich problemlos ohne viel Aufwand in den Alltag integrieren lassen. Sie stehen unter www.agr-ev.de zum kostenlosen Download bereit. Zum Einstieg und Aufwärmen etwa sind einfache Dehnübungen gut geeignet. Sie entspannen die Muskeln und halten diese beweglich. Danach kann es mit speziellen Übungen für ein starkes Kreuz oder auch mit dem Einsatz von Turnstab, Thera-Band oder Hanteln weitergehen.

Tipps zum Thema Rückengesundheit

Die Aktion Gesunder Rücken e.V. (AGR) gibt viele weitere hilfreiche Informationen und Tipps zum Thema Rückengesundheit. Hier findet sich auch eine Liste von alltäglichen Gegenständen, von Matratzen bis Büromöbeln, die den medizinischen Anforderungen an rückengerechte Produkte entsprechen und das unabhängige Gütesiegel “Geprüft und empfohlen” der AGR tragen dürfen. Das Gütesiegel wurde in Zusammenarbeit mit den beiden größten deutschen Rückenschulverbänden entwickelt.