Der Bundesfinanzhof (BFH) weitet seine bisherige Rechtsprechung zum Abzug von Strafverteidigungskosten als Werbungskosten nun auch auf arbeitsgerichtliche Prozesse aus. Der Kölner Rechtsanwalt Christian Kerner (WKWB) klärt zum Thema auf.
In einem Anfang Februar 2012 entschiedenen Fall (BFH v. 09.02.2012, AZ: VI R 23/10) spricht nach Auffassung des Gerichts regelmäßig eine Vermutung dafür, dass Aufwendungen für aus dem Arbeitsverhältnis folgende zivil- und arbeitsgerichtliche Streitigkeiten einen den Werbungskostenabzug rechtfertigenden hinreichend konkreten Veranlassungszusammenhang zu den Lohneinkünften aufweisen. Dies gilt grundsätzlich auch, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer über solche streitigen Ansprüche im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs einigen.
Im konkreten Fall warf der Arbeitgeber seinem früheren Arbeitnehmer vor, Geschäftsgeheimnisse an Konkurrenten verraten und dafür Geld genommen zu haben. Der Mitarbeiter habe damit gegen die arbeitsvertraglich vereinbarte Schweigepflicht verstoßen. Insgesamt forderte der Arbeitgeber Schadensersatz von gut 930.000 Euro. In einem Vergleich einigten sich die beiden Parteien schließlich auf 60.000 Euro, die der Arbeitnehmer seinem ehemaligen Arbeitgeber zahlen sollte. Im Gegenzug verzichtete dieser darauf, weitere Ansprüche geltend zu machen.
Die Kläger machten im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr bei den Lohneinkünften des Klägers die Schadenersatzzahlung von 60.000 EUR sowie den von der Rechtsschutzversicherung der GmbH einbehaltenen Selbstbehalt von 127,80 EUR als nachträgliche Werbungskosten geltend. Finanzamt und Finanzgericht erkannten die Kosten des Rechtsstreits jedoch nicht an. Sie argumentierten, dass der Verrat von Berufsgeheimnissen nichts mit der beruflichen Aufgabenerfüllung zu tun habe.
Der BFH entschied jedoch zugunsten des Klägers und ging davon aus, dass der Gegenstand des Prozesses eng mit den Einkünften aus der Erwerbstätigkeit zusammen hängen würde und daher diese Kosten steuerlich absetzbar seien.
Der Vorwurf des Arbeitgebers, Betriebsgeheimnisse verraten zu haben, reiche nicht aus, um private Motive des ehemaligen Mitarbeiters anzunehmen und die Kosten des Rechtsstreits seiner privaten Lebensführung zuzurechnen. Nur wenn das Gericht diese wirklich festgestellt hätte, wäre der Werbungskostenabzug nicht zulässig. Nach Ansicht des BFH muss deshalb die Vermutung gelten, dass Aufwendungen für arbeitsgerichtliche Prozesse – unabhängig von den Vorwürfen – der beruflichen Sphäre zuzurechnen sind.
Der Rechtstreit wurde daher an das FG zurückverweisen mit der Maßgabe, im zweiten Rechtsgang unter Beachtung der vorgenannten Rechtsgrundsätze zu prüfen, ob sich für die streitigen Zahlungen des Klägers tatsächlich private Gründe feststellen lassen, die einen hier zunächst zu vermutenden erwerbsbezogenen Veranlassungszusammenhang gänzlich ausschließen.
Arbeitnehmer dürften daher erheblichen Nutzen aus diesem Urteil ziehen: Sie können die Kosten aus arbeitsrechtlichen Streitigkeiten grundsätzlich als Werbungskosten absetzen. Die Beweislast liegt dann beim Finanzamt dem Arbeitnehmer private Gründe nachzuweisen, was nach Maßgabe der Vermutungsregel des BFH nicht ganz einfach sein dürfte. Dies hat besondere Bedeutung im Arbeitsrecht, da die unterlegene Partei bei einem Streit vor dem Arbeitsgericht zumindest in der ersten Instanz der obsiegenden nicht die Anwaltskosten ersetzen muss. Die muss – im Unterschied zu ordentlichen Zivilverfahren – jede Partei selbst tragen.
Autor: RA Christian Kerner