Umstrittener Geschmacksverstärker: Glutamat

Der Geschmacksverstärker Glutamat wird für viele gesundheitliche Probleme verantwortlich gemacht. / copyright: ddp/ Axel Schmidt
Der Geschmacksverstärker Glutamat wird für viele gesundheitliche Probleme verantwortlich gemacht.
copyright: ddp/ Axel Schmidt

Ein gemütlicher Fernsehabend auf dem Sofa – und ehe man sich versieht, ist die Chipstüte leer. Kritiker machen dafür weder den spannenden Freitagskrimi noch die eigene Willensschwäche verantwortlich, sondern einen Zusatzstoff in Lebensmitteln: Glutamat.

Der Geschmacksverstärker wird für viele gesundheitliche Probleme verantwortlich gemacht. Doch unter Wissenschaftlern sind diese Hypothesen umstritten.

Die Substanz wird Speisen zugesetzt, die besonders pikant schmecken sollen. Auf den Geschmackspapillen der Zunge gibt es eigene Rezeptoren für Glutamat, die die Geschmacksempfindung «umami» vermitteln. Das japanische Wort bedeutet «köstlich» und beschreibt einen angenehm deftigen Geschmack. Lebensmittel mit Glutamatzusatz werden daher als besonders würzig empfunden. Doch Glutamat gerät immer wieder in die Kritik: Der Geschmacksverstärker wird verdächtigt, das «Chinarestaurant-Syndrom», Erkrankungen des Nervensystems und eine übermäßige Appetitsteigerung zu verursachen.

«Zuerst einmal muss man festhalten, dass Glutamat ein Bestandteil des menschlichen Körpers ist», betont Nina Großer, Pharmakologin an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. «Glutamat ist als Aminosäure ein Teil von Proteinen, also Eiweißstoffen, und unterstützt damit unter anderem den Muskelaufbau und die Immunabwehr. Außerdem transportiert Glutamat im Nervensystem als Botenstoff wichtige Informationen», sagt Großer. Daneben kommt Glutamat in vielen Nahrungsmitteln natürlich vor. Besonders glutamatreiche Lebensmittel sind etwa Erbsen, Tomaten, Parmesankäse oder Sojasauce.

Wissenschaftler streiten, ob es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen dem sogenannten «Chinarestaurant-Syndrom» und dem Verzehr von Glutamat gibt. Es sei unklar, welche Ursache die Symptome wie Übelkeit, Kopfschmerzen, Herzklopfen oder Prickeln im Gesicht nach dem Genuss scharfer, meist asiatischer Gerichte haben, erläutert Großer: «Bei vielen untersuchten Patienten sind diese Anzeichen auch aufgetreten, wenn sie Speisen ohne Glutamat zu sich genommen haben.» Bis heute könne aber niemand ausschließen, dass manche Menschen tatsächlich überempfindlich auf Glutamat reagieren. Betroffenen bleibt nichts anderes übrig, als auf entsprechende Gerichte zu verzichten.

Zudem gebe es Studien, die Hinweisen nachgehen, dass ein erhöhter Glutamatverzehr die Entstehung von Krankheiten wie Parkinson oder Alzheimer begünstige, erläutert Nina Großer. «Richtig ist, dass bei diesen neurodegenerativen Erkrankungen im Gehirn ein Ungleichgewicht von Nervenbotenstoffen, darunter auch Glutamat, herrscht. Allerdings konnte bisher nicht gezeigt werden, dass die Zufuhr von Glutamat durch die Nahrung die Krankheitsentstehung beeinflusst.»

Für Aufsehen haben auch Untersuchungen gesorgt, die die Wirkung von Glutamat an Ratten testeten. In den Tierversuchen verursachte Glutamat bei den Nagern einen gesteigerten Appetit. Die Folge: Die Tiere fraßen deutlich mehr als ihre Artgenossen, die kein Glutamat erhielten, und nahmen auch mehr an Gewicht zu. «Bei diesen Versuchen bekamen die Ratten allerdings im Verhältnis zum Körpergewicht sehr viel mehr Glutamat, als Menschen durch den Verzehr von Lebensmitteln mit Glutamat überhaupt zu sich nehmen können», erklärt Professor Andreas Müller, Ernährungswissenschaftler an der Universität Halle. «Man darf auch nicht vergessen, dass wir etwa acht bis zwölf Gramm Glutamat täglich aus natürlichen Quellen verzehren. Das meiste Glutamat liegt zwar gebunden in Proteinen vor, wird aber beim Verdauungsprozess in freies Glutamat überführt. Dem gegenüber stehen durchschnittlich maximal drei Gramm durch zugesetztes Glutamat.»

Nach Ansicht des Ernährungsexperten lassen sich appetitsteigernde Effekte durch Glutamat theoretisch zwar erklären, allerdings seien wesentliche Fragen noch nicht beantwortet: «Es wird diskutiert, ob Glutamat im Gehirn einen anderen Botenstoff verdrängt, der für das Sättigungsgefühl verantwortlich ist», erläutert Müller. Er schränkt jedoch ein: «Allerdings müsste dazu die Konzentration von Glutamat im Gehirn extrem hoch sein – und bisher gibt es keine Belege dafür, dass bei gesunden Menschen mit den durchschnittlich verzehrten Mengen an Glutamat solch hohe Konzentrationen auftreten.»

Die wissenschaftlichen Daten aus Studien am Menschen sind bisher widersprüchlich: «Während eine große Studie aus dem Jahr 2008 einen Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Glutamat und Übergewicht herstellte, konnten diese Ergebnisse in einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung nicht bestätigt werden», sagt der Ernährungswissenschaftler. «Außerdem sind Asiaten, die durch traditionelle Lebensmittel meist sehr viel Glutamat zu sich nehmen, durchschnittlich nicht dicker als die westliche Bevölkerung.» Müller kommt zu dem Schluss: «Mit den bisher vorliegenden Daten lässt sich die These, dass Glutamat ein Dickmacher ist, wissenschaftlich nicht halten.»

Welche Stoffe Lebensmitteln zugesetzt werden dürfen, ist gesetzlich geregelt: Unter der Bezeichnung «Glutamat» werden alle Verbindungen zusammengefasst, die Salze der Glutaminsäure sind. In der Liste der zugelassenen Zusatzstoffe und in der Inhaltsstoffliste von Lebensmitteln finden sich diese Substanzen unter den Nummern E620 bis E625. Außer der E-Nummer muss auch die Bezeichnung «Geschmacksverstärker» angegeben sein. Lebensmitteln darf höchstens ein Prozent Glutamat zugesetzt werden, ausgenommen sind Würzmischungen. Einen hohen Gehalt an Glutamat – nur nicht in isolierter Form – weisen auch die besonders bei Bioherstellern beliebten Zusätze «Hefeextrakt» oder «Sojahydrolysat» auf.

(Quelle, gesetzliche Grundlage: Verordnung über die Zulassung von Zusatzstoffen zu Lebensmitteln zu technologischen Zwecken; oekotest.de)

Autor: Redaktion / dapd/ Iris Hinneburg