Nachbarschaftsstreit: Zwischen 11,6 Millionen deutschen Haushalten herrscht Krieg

Nachbarschaftsstreit: Zwischen 11,6 Millionen deutschen Haushalten herrscht Krieg
Nachbarschaftsstreit: Zwischen 11,6 Millionen deutschen Haushalten herrscht Krieg
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“Nachbarn sind die Prüfungsaufgaben, die uns das Leben stellt…”, sagte der französische Dramatiker Marcel Achard. Und Udo Jürgens beschäftigte sich schon 1977 mit den lieben Nachbarn in dem Song über “das ehrenwerte Haus”. Dass in all diesen Binsen Wahrheiten stecken, zeigt eine Umfrage des Preisvergleichsportals billiger.de (2,83 Mio. Nutzer im Monat lt. AGOF), wofür rund 7.400 Deutsche bevölkerungsrepräsentativ zum Thema Nachbarschaftsstreit befragt wurden. Das Ergebnis sagt viel über das nachbarschaftliche Zusammenleben in Deutschlands rund 12.000 Gemeinden und Städten. Gut ein Drittel aller deutschen Haushalte, also 11,6 Millionen oder 29 Prozent, ist mit den Nachbarn im Clinch.

Nachbars Herbstlaub im fremden Garten

Die Gründe für Nachbarschaftsstreitigkeiten sind so vielfältig wie das Leben: Am häufigsten gibt es in Deutschland Zoff wegen lauter Musikanlagen oder dröhnender Fernseher (27 Prozent; Platz 1). Auch Dreck oder Müll sorgen für nachhaltigen Nachbarschaftsstreit (19 Prozent; Platz 2). Dabei gilt: Gerade im Herbst stören sich viele Nachbarn an Laubbergen, welche vom fremden Grundstück auf die eigene Garageneinfahrt wehen oder verregnete Gehwege zu rutschigen Laubahnen machen. Doch auch das ärgert viele: Wenn der eigens gepflegte Rasen mit Herbstblättern vom Nachbarn übersät ist.

Für regelmäßigen Ärger zwischen deutschen Haushalten sorgt auch Kinderlärm (14 Prozent; Platz 3). “Der 10-jährige Sohn meiner Nachbarin über uns trommelt regelmäßig dermaßen auf den Boden, dass wir, die in der Wohnung drunter leben, kaum mehrere Stunden am Tag Ruhe haben”, erklärt eine Berlinerin. Ein Bocholter sagte: “Ich kriege schon die Krise, wenn ich über mir nur Schritte von irgendwelchen Nachbarn höre”.

Dauerbrenner sind auch Haustiere

Ein Dauerbrenner im Maschendrahtzaun-Drama in Deutschland sind auch Haustiere. Immerhin jeder 10. hatte mit seinem Nachbarn oder seiner Nachbarin schon Streit, wenn Herrchen mit seinem “stinkenden Köter” (O-Ton Münchner Bürger) oder “dem überall hinmachenden Hündchen” (O-Ton Hamburger Bürger) dreimal am Tag Gassi geht. Ebenfalls ein Klassiker: Belästigungen durch Partys in Wohnungen oder im nachbarlichen Garten. Auch hier sagte mehr als jeder Zehnte befragte Haushalt, man habe dem Nachbarn deshalb schon einmal die rote Karte gezeigt.

Und selbst das sorgt für nachbarlichen Zwist: Arbeiten im Haus. Denn nicht jeder findet es lustig, wenn zur Mittagszeit gesaugt wird oder dem Nachbarn um 23 Uhr einfällt, noch mit einem Betonbohrer Löcher für die Halterung des neuesten ultragroßen LED-Fernsehers machen zu müssen. “Mein Nachbar fängt immer nachts mit lauten Handwerker-Arbeiten an”, mokiert sich ein Düsseldorfer.

Doch auch darüber gibt es zwischen den Deutschen Streit: Unordnung im Haus oder Garten (10% ärgert das). So sagt einer: “Wenn ich schon die dreckigen Socken und siffigen Schuhe von meinen Nachbarn im Hausflur vorfinde, oder gar den übervollen Küchen-Müllbeutel vor der Wohnungstüre meines Nachbarn sehe, bin ich bedient. Auch die überall im Hausflur parkenden Kinderwagen machen mich langsam wahnsinnig.”

Fast genauso häufig streiten sich Deutsche über Geruchsbelästigungen. Mal kurz eine Kippe auf dem Balkon geraucht, sorgt zwar im Idealfall für gute Luft in der eigenen Wohnung. Doch wenn der Qualm nach oben ins Wohnzimmer des Nachbarn zieht, ist das nicht jedermanns Sache. In der Umfrage sagten neun Prozent der befragten Haushalte, sie hätten wegen solcher oder anderer Geruchsbelästigungen schon einmal mit dem Nachbarn Streit gehabt.

Grillen im Garten

Rechtlich ist das Grillen zwar selbst auf dem Balkon – in engen Grenzen an wenigen Tagen im Jahr – erlaubt, doch wer ständig seinen Mega-Grill im Garten anschmeißt, um mariniertes Lammfleisch, Schweinefleisch oder Thüringer Bratwürste zu garen, riskiert ebenfalls Stunk mit den Nachbarn. Allerdings sind die Deutschen beim Essen scheinbar weniger empfindlich. Denn nur sechs Prozent der befragten Haushalte gaben in der Umfrage an, sie hätten sich wegen des Grillens schon einmal mit dem Nachbarn gestritten.

Von großen Hecken und lautem Sex in Nachbars Wohnung

Gerichte müssen sich zwar regelmäßig in Deutschland mit der Frage beschäftigen, wie hoch eine nachbarliche Hecke wirklich sein darf. Auch ist ein gern vor Gericht ausgetragenes Thema der lästige riesige Baum-Ast, welcher einem die Sonne nimmt, oder das Balkon-Efeu des Nachbarn, welches für Mäuse in der Küche verantwortlich gemacht wird. Doch wirklich häufig werden über solche Dinge zwischen den Deutschen keine Diskussionen geführt. Nur sechs Prozent der 11,6 Millionen deutschen Haushalte, die sagten, sie hätten aktuell oder in der Vergangenheit Streit mit den Nachbarn, gaben als Grund an, dieser basierte auf “überdimensionierten Gewächsen”.

Ähnlich sieht es mit dem Thema Sex in Nachbars Wohnung oder Haus aus. Denn auch wenn einige das rhythmische Quietschen des Bettes, lustvolles Gestöhne oder Dirty Talking sexy finden: Für Nachbarn kann es die Hölle sein. So gaben fünf Prozent der 11,6 Millionen deutschen Haushalte an, die nach eigener Auskunft schon Streit mit dem Nachbarn gehabt hätten, genau dieses Thema als Grund an. “Neben mir wohnte eine Studentin, die machte es mit ihrem Freund immer besonders laut”, meint eine Münchnerin. Sie habe sich regelmäßig etwas angewidert die Ohren zuhalten müssen. Bitte berücksichtigen Sie die Tabellen und Grafiken zur Umfrage im Anhang.

Schuld sind immer die anderen

Fragt sich, wer denn nun Schuld hat, wenn es in Deutschland Zoff mit dem oder den Nachbarn gibt. Die Studie gibt eine klare Antwort: Schuld hätten “fast immer die anderen”: Stattliche 86 Prozent der Streitparteien (10 Mio. Haushalte) gaben an, dass für den Zwist der Nachbar mit seinem Fehlverhalten die Verantwortung trage. Nur 14 Prozent (1,6 Mio. Haushalte) nennen sich selbst als Streit-Auslöser.

Auch das ist eine interessante Erkenntnis der Umfrage: Die meisten befinden sich mit nur einem Nachbar-Haushalt im Clinch (10,1 Mio. Haushalte beziehungsweise 87 Prozent). Mit zwei Nachbarhaushalten haben 1,6 Mio. Haushalte Ärger (10 Prozent der Befragten). Mit mehr als zwei Nachbarn sind es immerhin drei Prozent oder 300.000 deutsche Haushalte.

Wer in einem Mehrfamilienhaus eine Mietwohnung “sein Eigen” nennt, sollte – wenn möglich und vorsorglich – eine gute Rechtsschutzversicherung abschließen oder sich frühzeitig um einen Mediator bemühen. Denn: 57 Prozent aller von Nachbarschaftsstreitigkeiten Betroffenen (6,6 Mio. Haushalte) sind Nutzer von Mietwohnungen. Aber auch Eigentümer von Häusern (in Eigennutzung) sind nicht vor Konflikten gefeit. 29 Prozent der Streithähne, umgerechnet also 3,3 Mio. Haushalte, wohnen in den eigenen vier Wänden. Weitere Informationen entnehmen Sie bitte den Info-Grafiken.

Gerichtsprozess oder Umzug immer eine Option

Dass deftige Nachbarschafts-Streite auch wieder im Sande verlaufen können oder man durch übliche Kommunikation eine Lösung herbeiführen kann, ist in Deutschland mehr oder weniger üblich. Doch immerhin 1,3 Mio. Haushalte (11 Prozent der Befragten) sehen nur über den Gang zum Rechtsanwalt oder Gericht eine Lösung ihres Konfliktes. Immerhin weitere rund 0,7 Mio. Haushalte (sechs Prozent der Befragten) denken über einen Gang zum Rechtsbeistand nach.

Aber auch das gibt es: Die Situation ist so verfahren, dass eine Lösung nur durch einen Umzug möglich scheint. 12 Prozent aller Befragten – was immerhin 1,4 Millionen deutschen Haushalten entspricht – gaben an, sie seien schließlich entnervt oder resigniert umgezogen. Weitere vier Prozent oder 460.000 Haushalte überlegen sich, umzuziehen, wenn die Eskalation mit dem oder den Nachbarn sich nicht bessert.

Erhebungsgrundlage: Befragung keyfacts Onlineforschung GmbH, im Auftrag von billiger.de, von mehr als 7.400 Befragten mit Wohnsitz in Deutschland. Erhebungszeitraum 12. August bis 25. August 2015. Antworten stammen von Mietern oder Eigentümern (in Eigennutzung) von privat genutztem Wohnraum (Privathaushalte). Grundlage für die Hochrechnung: 40.223.000 Privathaushalte im Jahr 2014 laut destatis (Statistisches Bundesamt). Prozentangaben sind gerundete Werte.