CityNEWS im Gespräch mit Regisseur René Heinersdorff

René Heinersdorff im Gespräch mit CityNEWS / copyright: Daniel Berbig / CityNEWS
René Heinersdorff im Gespräch mit CityNEWS
copyright: Daniel Berbig / CityNEWS

Nach der Vorlage von Esther Vilars Schrift „Der dressierte Mann“ hat der Schriftsteller John von Düffel ein Stück geschrieben, das von René Heinersdorff, wie nicht anders zu erwarten, grandios inszeniert wurde und bis zum 5. Mai im Theater am Dom zu sehen ist.

CityNEWS: Herr Heinersdorff, verraten Sie uns doch zu
Beginn etwas von der Handlung des neuen Stücks.

René Heinersdorff: Es geht um ein Paar mit den jeweiligen
Müttern. Eigentlich lebt das Paar auf Augenhöhe, bis sich die Mütter
einmischen. Die beiden versuchen die Frau dahin gehend zu erziehen, dass sie
ihren Mann dressiert. Die junge emanzipierte Frau soll also reemanzipiert werden.
Letztendlich geht es darum, dass die beiden Mütter, eine Emanze und eine
angepasste Frau, sich in einem Punkt einig sind: Der Mann muss von der Frau
dressiert werden, damit sie ein bequemeres Leben hat. Die Frau probiert das
aus. Ob erfolgreich oder nicht – das sieht der Zuschauer dann.

CityNEWS: Der Stoff des Stücks ist dem gleichnamigen Buch
von Esther Vilar entnommen …

René Heinersdorff: Genau. Der Urstoff ist eine theoretische
Streitschrift von Esther Vilar. Der dressierte Mann war damals ein Riesenskandal,
weil Vilar darin die These vertritt, dass die Frau nicht emanzipiert ist, weil
sie gar nicht emanzipiert sein will. Laut Esther Vilar möchte die Frau das versorgte
Wesen sein, das alles dafür tut, den Mann zur Arbeit zu versklaven, und dadurch
natürlich keine echte Mitbestimmung erlangen kann. Wenn die Frau bereit wäre,
wirtschaftlich unabhängig zu sein und dafür auch Arbeit in Kauf zu nehmen, was
sie nicht tut, so die Grundthese, so wäre sie automatisch emanzipiert. Die
Schrift ist damals sehr in Kritik geraten und sicher auch falsch verstanden
worden – nicht zuletzt von Alice Schwarzer.

CityNEWS: Wird die Vorlage von von Düffel persifliert?

René Heinersdorff: Sie wird ein wenig überspitzt. Von Düffel
versucht das Vilar’sche Gedankengebäude durchzukonstruieren. Er macht sich
nicht lustig, sondern versucht es seriös in seiner Konsequenz darzustellen.

CityNEWS: Wie viel Wahrheitsgehalt sehen Sie in den
Thesen Vilars?

René Heinersdorff: Mancherorts laufen zuhauf Frauen rum, die
sich in die Rolle der Hausfrau und Mutter zurückziehen und die Verantwortung
für das wirtschaftliche Wohl dem Mann zuschieben. Sicherlich sind die
Hausarbeit und das Versorgen der Kinder auch Arbeit. Vilar meint, dass die
Hemden zu Hause nur gebügelt werden, damit der Mann mehr Zeit zum Arbeiten hat.
So knallhart sieht sie das. Ich war erstaunt, wie aktuell das ganze Thema noch
ist. Ich dachte zuerst, dass es so etwas nicht mehr gibt. Wenn man sich aber
mal umhört, dann ist man erstaunt, wie viele Frauen noch so denken.

CityNEWS: Tatsächlich machen ja aber heutzutage auch
viele Frauen Karriere. Zugleich sieht man immer häufiger Männer, die den
Kinderwagen zur Kita schieben und sich vielleicht auch nicht scheuen, zu Hause
mal den Putzlappen in die Hand zu nehmen. Verweichlicht der Mann?

René Heinersdorff: Genau das nimmt von Düffel auf, indem er
ein Paar zeigt, bei dem dieses umgekehrte Rollenbild Praxis ist. Ich denke,
dass ein Mann, der heute einen Kinderwagen schiebt, sich dabei durchaus
männlich fühlen kann. Mein Vater hätte sich dabei sicher noch sehr unwohl
gefühlt. Da ist das Männerbild mit den Jahren doch etwas durchlässiger
geworden. Attribute wie Stärke oder Ausdauer spielen aber doch nach wie vor
noch eine Rolle.

CityNEWS: Was sind typisch weibliche Attribute?

René Heinersdorff: Ich glaube, dass sich das, was an Mann
und Frau typisch ist, im Laufe der Zeit gar nicht so sehr geändert hat. Die
Frau ist einfach etwas schutzbedürftiger – allein durch ihre Statur. Es mag
sein, dass es Rahmenbedingungen gibt, die die Grenzen zwischen männlich und
weiblich fließend machen. Aber es ist doch auch immer noch so, dass es kein
Verständnis für Männer gibt, die nicht arbeiten gehen. Frauen, die nicht
arbeiten bzw. keinem Erwerb nachgehen, tritt man hingegen mit Verständnis
gegenüber.

CityNEWS: Wenn nun aber die Frau die Familie ernähren
kann, kann dann nicht ganz genauso gut der Mann zu Hause sein, den Haushalt
schmeißen und die Kinder versorgen?

René Heinersdorff: Ich persönlich denke schon. Aber es gibt
sicher noch viele Menschen, die das seltsam fänden. Ich zum Beispiel putze
gerne. Besonders die Küche.

CityNEWS: Die Frauenrechtsbewegung hat in den letzten
Jahrzehnten eine Menge erreicht: Seit 1958 gibt es das Gesetz über die
Gleichberechtigung von Mann und Frau, seit 1977 braucht die Frau offiziell
keine Einverständniserklärung des Ehemannes mehr, um arbeiten gehen zu können,
und seit 1997 wird die Vergewaltigung in der Ehe als solche anerkannt und auch
strafrechtlich verfolgt. Was müssen sich die Frauen noch alles erkämpfen?

René Heinersdorff: Für eine gerechte Bezahlung. Es gibt
keinen Grund dafür, dass Frauen für gleiche Arbeit schlechter bezahlt werden.
Wofür sie nicht kämpfen sollten, ist die Frauenquote. Dies ist doch wieder eine
Diskriminierung. Frauen haben das gar nicht nötig, das erreichen sie durch
Kompetenz.

CityNEWS: Eine recht junge Protestform ist der “Slutwalk”, mit dem Frauen weltweit auf die Äußerung eines Polizisten bei einer
Veranstaltung zu Gewaltprävention an einer kanadischen Universität reagierten,
mit denen er Studentinnen nahelegte, sich nicht zu freizügig anzuziehen, um
nicht vergewaltigt zu werden. Sätze wie: “Die muss sich ja nicht wundern, so
wie die rumläuft!” hört man häufig. Wie lange dauert es wohl noch, bis ein
Täter durch solche Sprüche nicht mehr zum Opfer gemacht wird?

René Heinersdorff: Natürlich ist eine Vergewaltigung immer
zu verurteilen. Ich glaube jedoch, dass wir niemals in einer Gesellschaft
leben, in der Frauen einen Minirock tragen und kein Mann darauf reagiert. Die
Gefahr besteht einfach – so schlimm das auch ist.

CityNEWS: In Der dressierte Mann spielt Stephan
Schleberger neben Karin Dor, Marianne Rogée und Karoline Kiesewetter als
einziger Mann. Tut er Ihnen ein bisschen leid?

René Heinersdorff: Ich glaube, dass das von von Düffel absolute
Absicht war. Das Interessante ist, dass sich während der Proben so eine
Frauensolidarität gebildet hat. Aber nein, er tut mir nicht leid. Ich hoffe,
dass er die Erniedrigungen, die er erfahren wird, gut für seine Rolle
verinnerlichen kann.

CityNEWS: Herr Heinersdorff, vielen Dank für das Gespräch.

Autor: Redaktion / Ina Laudenberg