Jeder arbeitet für sich – aber nicht allein

Unternehmer Peter Schreck und Journalstin Jeannette Alm teilen sich in Koeln im Bueroraum des sogenannten Coworking-Space einen Schreibtisch / copyright: Roberto Pfeil / dapd
Unternehmer Peter Schreck und Journalstin Jeannette Alm teilen sich in Koeln im Bueroraum des sogenannten Coworking-Space einen Schreibtisch
copyright: Roberto Pfeil / dapd

Etwa 300 Quadratmeter groß ist die Bürofläche im Kölner Stadtteil Deutz, der Boden ist mit dunklem Industrieteppich ausgelegt. Es gibt eine gemeinsame Küche und eine gemeinsame Einkaufsliste. Der Rest des Raumes in der Gasmotorenfabrik wird eingenommen von runden Konferenztischen, die auf leere Wasserkästen gebockt sind. Dazwischen ist viel Platz. Platz für Menschen, die vereinzelt vor ihren Laptops sitzen, schweigend vor sich hin arbeiten und die eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Was sie hier tun, nennt sich neudeutsch Coworking.

Was eigentlich so viel heißt wie “zusammen arbeiten”, obwohl doch jeder hier für sich arbeitet, ist ein Trend aus den USA, der mittlerweile auch in Deutschland immer mehr Anhänger findet. “Coworking richtet sich vor allem an freie Mitarbeiter (englisch: Freelancer), die auf der Suche sind nach festen Strukturen, aber gleichzeitig die nötige Flexibilität nicht verlieren wollen”, erklärt Alexandra Manske. Die Wissenschaftlerin ist Mitarbeiterin am Institut für Sozialwissenschaften, Soziologie der Arbeit und Geschlechterverhältnisse der Humboldt-Universität Berlin und hat das Phänomen “Coworking” untersucht.

Erklärt ist die neue Form der Bürogemeinschaft schnell: In den sogenannten “Coworking-Spaces” bekommen die selbstständigen Einzelkämpfer Arbeitsplätze und die nötige Infrastruktur gestellt. Dazu gehören zum Beispiel Drucker, Internetanschlüsse und separate Konferenzräume. Wer hier arbeiten möchte, muss sich einkaufen. Es gibt Tagestickets, Fünfertickets oder Angebote für den ganzen Monat.

Lockeres Netzwerk

Sieben solcher “Spaces” gibt es mittlerweile in NRW. “Coworkern geht es darum, den heimischen Arbeitsplatz und die Isolation zu verlassen und in einem lockeren Netzwerk zusammen mit anderen Menschen zu arbeiten”, erklärt Manske.

Einer von ihnen ist Peter Schreck. Der 36-Jährige ist so etwas wie ein Coworker der ersten Stunde und hat den Space in Köln, einen der ersten in NRW, mit aufgebaut. “Offiziell eröffnet haben wir im Juli letzten Jahres. Inzwischen kommen täglich etwa zehn bis zwanzig Leute hierher, um zu arbeiten”, sagt er. Von dem Wissensvorsprung der Kölner profitieren auch andere Städte. “Wir unterstützen den Aufbau anderer Spaces – derzeit zum Beispiel in Wuppertal”, sagt Schreck. Den Bedarf an weiteren Coworking-Angeboten schätzt er hoch ein. “Unsere Vision ist, dass es in Köln in einigen Jahren fünfzehn oder zwanzig solcher Spaces gibt. Die Nachfrage in den Vierteln ist jedenfalls da.”

Trend für Selbstständige

Das sieht auch Alexandra Manske so: “Coworking ist eine neue Form des Arbeitens. Ein Trend für Selbstständige, der auch viel mit Lifestyle zu tun hat.” Seit Jahren beobachtet Manske dabei eine Entwicklung. “Gerade in den Kreativbranchen geht der Trend weg von den Großbetrieben hin zu kleinen Clustern”, sagt sie. “Coworker sind meist hochqualifizierte Leute, die einen Weg gefunden haben, sich gemeinsam zu organisieren.” Überrascht ist Manske von dem neuen Trend deshalb auch nicht: “Das ist eine zeitgemäße Entwicklung, die uns noch länger begleiten wird”, sagt sie.

Ein zeitgemäßes Phänomen ist Coworking, aber auch ein noch recht überschaubares. Etwa 300 bis 400 aktive Coworker gibt es zurzeit in Deutschland, schätzt Peter Schreck.

Für ihn steckt hinter der Idee der zufälligen Bürogemeinschaft aber noch mehr als nur das Verlassen des heimischen Arbeitsplatzes. Denn “oft führen Zufälle zu neuen, gemeinsamen Projekten. Coworking ist inspirierend, weil man immer wieder auf neue Leute mit neuen Ideen trifft”, sagt Schreck. Und wenn Coworking auch “noch ein kleines Baby ist, das Potenzial ist groß”.

Autor: Redaktion/ dapd