Wandern mit Ostseewind

Blick vom Stadthafen zum Turm der St. Marien-Kirche in Wismar. / copyright: Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern / dapd
Blick vom Stadthafen zum Turm der St. Marien-Kirche in Wismar.
copyright: Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern / dapd

An der Ostseeküste von Mecklenburg-Vorpommern kann man sich von morgens bis abends den Wind um die Nase wehen lassen – nicht faul am Strand liegend, sondern wandernd, ganz zünftig mit Rucksack.

Steilküsten, Strand und Weltkulturerbe auf dem Fernwanderweg E9

Der Fernwanderweg E9 führt über 400 Kilometer zwischen Ahlbeck auf der Insel Usedom und Travemünde bei Lübeck fast ausschließlich am Meer entlang. Von den insgesamt 40 Kilometer langen Sandstränden Usedoms in die altehrwürdige Hansestadt Greifswald. Weiter geht es nach Stralsund, dessen Altstadt seit 2002 Unesco-Weltkulturerbe ist. Von dort zum Darß mit seinen schönen Stränden und wo sich jedes Jahr im Frühjahr und im Herbst Zehntausende Kraniche in den Bodden versammeln. Über die Hansestadt Rostock und Warnemünde zu den Ostseebädern Heiligendamm, Kühlungsborn und Rerik. Vom zweiten Weltkulturerbe am Wegesrand – der Altstadt von Wismar – nach Boltenhagen. Und schließlich entlang der Steilküste über den Priwall nach Travemünde. Für die gesamte Strecke sollten Wanderer mindestens 15 Tage einplanen. Oder sich einen Teilabschnitt vornehmen. So wie wir zum Beispiel – den vom Ostseebad Warnemünde nach Travemünde.

Der Rucksack ist gepackt, Zelt und Schlafsack sind dabei – der Traum vom Wandern ohne Gepäck lässt sich hier noch nicht verwirklichen. Es darf also nur das Nötigste mit. Mittags erreichen wir den kleinen Bahnhof von Warnemünde. Über den bunten, restaurierten Häuschen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts lugt das Wahrzeichen des Ortes hervor, der 1898 erbaute Leuchtturm. Im «Alten Strom» liegen Fischerboote – manche dienen nur noch als Fischimbiss – und Ausflugsschiffe vor Anker. Wer nicht am kilometerlangen Strand ist, treibt sich hier herum, zwischen der Promenade «Am Strom» und der Alexandrinenstraße mit den kleinen Boutiquen und Cafés. Es ist gar nicht so einfach, sich mit den vollgepackten Rucksäcken hier durchzuschlängeln.

Steilküste und Gespensterwald

Auf der breiten Strandpromenade ist mehr Platz und bald wird es ruhiger. Rechts führen einsame Strandaufgänge flankiert von Büschen, Heckenrosen und Strandgras über die Düne hinüber ans Meer, das verführerisch in der Sonne glitzert. Der Weg verläuft entlang der Steilküste, durch einen mal lichten, mal dichten Wald, die Ostsee immer im Blick. Kurz hinter dem kleinen Ort Nienhagen kündigt sich auf der Wanderkarte der Gespensterwald an. Wir stellen uns verkrüppelte Bäume und dichtes Unterholz vor. Doch es kommt ganz anders – und viel gespenstischer. Buchen sind es, die den Wald mit dem unheimlichen Namen bilden. Die Stämme wie bleiche Gerippe mit dicken Ästen, die steil Richtung Himmel wachsen und erst ganz weit oben ein Blätterdach ausbreiten. Sie stehen dicht an dicht auf der Steilküste – und vor allem bei Mondlicht dürfte es hier ganz schön gruselig werden. Doch noch ist es hell und als wir den Gespensterwald verlassen, kommt auch – endlich – das Ziel in Sicht: der Campingplatz in Börgerende. Schnell das Zelt aufgebaut und runter an die Ostsee für ein spätes Bad. Nach rund 16 Kilometer Wandern tut so eine Erfrischung gut.

Schmalspurbahn Molli

Das Ziel des nächsten Tages: Rerik. Die erste Station Heiligendamm. Der Weg dorthin führt durch etwas, das man nordische Macchia nennen könnte, angelehnt an die mediterrane Variante: eine dichte Vegetation aus Sanddorn, Heckenrosen, Silberweiden, Sauerampfer, Disteln und anderen Gewächsen. Heiligendamm leuchtet schon in der Ferne, denn es ist vor allem eines: weiß. Und berühmt wegen des G8-Gipfels, der hier 2007 stattgefunden hat. Das Seebad punktet mit seiner besonderen Architektur, sonst gibt es hier nicht viel zu tun. Wir beschließen, etwas zu schummeln und uns nach Kühlungsborn kutschieren zu lassen. Von Molli, der historischen Schmalspurbahn. Sie zuckelt mehrmals täglich zwischen den Orten hin und her. Während es in Heiligendamm sehr gediegen zuging, ist in Kühlungsborn ordentlich was los. Der Wanderweg verläuft entlang der Strandpromenade – übrigens mit drei Kilometern die längste Deutschlands – führt im Westen ein Stück durch den Ort und dann wieder in die gefühlte Einsamkeit. Vorbei am kleinen Meschendorf, das unbeeindruckt vom Touristenrummel um die Ecke ganz ruhig daliegt, geht der Fernwanderweg als Trampelpfad weiter über Wiesen, durch kleine Wäldchen, entlang von Feldern bis nach Rerik. Gute 20 Kilometer waren es heute, der Magen knurrt und das Grillfest auf dem Campingplatz kommt uns gerade recht.

Unesco Weltkulturerbe

Wer nur vier Tage Zeit hat, muss manchmal auf etwas verzichten. Bei uns ist es die Strecke zwischen Rerik und Wismar. Denn die alte Hansestadt wollen wir uns nicht entgehen lassen. Also nehmen wir früh morgens den Bus nach Neubukow und weiter den Zug nach Wismar. Dort kommen die Rucksäcke ins Schließfach und einer entspannten Stadtbesichtigung steht nichts im Wege. Die Altstadt von Wismar ist herausgeputzt und als Unesco Weltkulturerbe ausgezeichnet. So viele Baudenkmäler auf so kleinem Platz sind selten zu finden. Rund um den Marktplatz und den Alten Hafen wird die Hanse wieder lebendig. Besonders beeindrucken jedoch die mächtigen Kirchen aus dem 13. und 14. Jahrhundert, erbaut im Stil der norddeutschen Backsteingotik, die unter dem Zweiten Weltkrieg und dem SED-Regime gelitten hatten. Von St. Marien steht nur noch der Turm, der Rest wurde 1960 gesprengt. St. Georgen ließ man nach dem Krieg verfallen, erst im Jahr 1990 wurde mit ihrer Sanierung begonnen. Nur St. Nikolai hat die Zeiten fast unbeschadet überstanden.

Es ist Mittag und die Wanderung soll weitergehen. Der Bus bringt uns nach Zierow, ein guter Einstieg in den Wanderweg. Die Landschaft hier ist ganz anders. Auwälder und Salzwiesen statt Steilküste. Im Wasser schwimmen Schwanentrupps umher – und da wir es nicht besser wissen, scheuchen wir sogar einige Kraniche auf. Erst hinter Wieschendorf verläuft der Weg wieder entlang der gewohnten Abbruchkante. Mit schönen Aussichten, erst auf die Insel Poel, dann über das Wohlenberger Wiek hinüber nach Boltenhagen, wo wir unser Zelt aufschlagen wollen. Ein schöner Ort mit einem vier Kilometer langen Sandstrand und einem parallel dazu verlaufenden Wäldchen, in dem sich Ferienhäuser – manche Villen aus der alten Bäderzeit – verstecken.

Vom Strand aus ist im Westen schon die Steilküste zu sehen, wo das letzte Teilstück der Wanderung beginnt. Es ist ein sehr langes Stück – rund 32 Kilometer – und da keine Busse fahren, entschließen wir uns, mit Hilfe eines Taxis die Strecke auf 20 Kilometer abzukürzen. Wir mussten uns vor dem morgendlichen Start dafür entscheiden, denn unterwegs wird es nur uns und die Natur geben. Keine Stadt, kein Dorf. Also lieber auf Nummer sicher gehen und die Wanderung entlang der Ostsee weiter entspannt genießen.

Autor: dapd / BMELV/ MKULNV Redaktion