Auf der genetischen Spur der westfälischen Tiere

Im Naturkundemuseum in Münster baut der Biologe Jan Ole Kriegs ein neuartiges Erbgut-Archiv auf / copyright: sascha schuermann / dapd
Im Naturkundemuseum in Münster baut der Biologe Jan Ole Kriegs ein neuartiges Erbgut-Archiv auf
copyright: sascha schuermann / dapd

Jan Ole Kriegs hat sich die Sammlung tierischen Erbguts zur Aufgabe gemacht, weil er sich bei seiner Doktorarbeit zur Genetik von Säugetieren und Vögeln oft vergeblich um DNA-Proben bemüht hatte. Das Defizit, das er damals bei vielen Museen feststellte, behebt er heute selbst.

Als Jan Ole Kriegs die Edelstahltür öffnet, steht für kurze Zeit eine eisige Dunstglocke im Raum. Minus 80 Grad Celsius zeigt das Digitaldisplay des großen Gefrierschranks. “Bei dieser Temperatur bleibt auch über lange Zeiträume die DNA unverändert erhalten”, erklärt der Biologe am Naturkundemuseum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Münster die extreme Kälte. Denn in dem Eisschrank lagern rund 400 kleinen Röhrchen mit DNA- und Gewebeproben von Tieren Westfalens. Sie bilden den Grundstock eines Erbgut-Archivs, das der 33-Jährige seit gut einem Jahr aufbaut und das zukünftigen Forschern die Arbeit erheblich erleichtern soll.

Der Nutzen dieser Arbeit wird erst in vielen Jahren erkennbar sein. “Manche Arten streben aus, andere Arten wandern ein. Diese Entwicklungen lassen sich anhand der Genetik nachvollziehen”, skizziert der Wissenschaftler den Wert des Archivs.

Ursachen für das Aussterben

Womöglich sind in 100 Jahren Feldlerche, Turteltaube, Bekassine, Braunkehlchen und Rebhuhn aus der westfälischen Feldflur verschwunden, sinkt ihr Bestand doch gegenwärtig bereits drastisch. Gibt es jedoch genug Erbgutproben, können spätere Generationen die Ursachen für das Aussterben ermitteln. «Aus entsprechenden Zeitreihen lässt sich erkennen, ob etwa eine genetische Verarmung vorgelegen und das Vorkommen isoliert gewesen ist», erläutert Kriegs die Methodik.

Mit ihr würde der Biologe aus Münster auch zu gerne klären, warum in den 1920er Jahren das Heide-Rebhuhn aus dem nördlichen Münsterland und dem Emsland verschwand. Denn noch ist ungewiss, ob es überhaupt eine eigene (Unter-)Art war, die durch Durchmischung mit einer anderen Rebhuhnart verschwand, oder ob es sich lediglich um eine Farbvarietät gehandelt hat.

Verwandtschaft der Fischotter

Gleichzeitig werden durch die Ergbut-Sammlung Wanderungswege und die Neubesiedlung von Lebensräumen durch Tiere nachvollziehbar. Dies gelang jüngst etwa für den Fischotter im Münsterland. Mehr als ein halbes Jahrhundert war er dort ausgestorben, bis ein kleines Vorkommen von mindestens sechs Individuen aus drei Familien entdeckt wurde. Die populationsgenetische Analyse von Kotproben ergab, dass die Tiere mit Fischottern in Niedersachsen verwandt sind. Andere Fischotter im deutsch-niederländischen Grenzraum stammen aus einem niederländischen Wiederansiedlungsprojekt mit Tieren aus Weißrussland.

Um zu solchen Erkenntnissen zu gelangen, muss jede DNA- und Gewebeprobe mit Datum und Fundort, von dem der Tierkörper stammt, versehen sein. Das LWL-Naturkundemuseum Münster kooperiert dabei mit biologischen Stationen und dem Landesbetrieb Straßenbau. Die angelieferten Tierkadaver werden zunächst eingefroren. Bevor sie später präpariert werden, entnimmt der Präparator eine kleine Haut- oder Muskelgewebeprobe, die dann ins eisige Archiv wandert, um späteren Wissenschaftler-Generationen Auskunft über die heutige Tierwelt Westfalens zu geben.

Weil eine solche Sammlung aber nur wirklich von Nutzen sein kann, wenn sie immer weitergeführt wird, weiß Jan Ole Kriegs heute schon, dass er eine Lebensaufgabe vor sich hat.

Autor: Redaktion / dapd / http://bvap.de