"Von wegen Heilige Nacht!"

Ausstellungsstück aus der Sammlung des NS-Dokumentationszentrum / copyright: NS-Dokumentationszentrum Köln
Ausstellungsstück aus der Sammlung des NS-Dokumentationszentrum
copyright: NS-Dokumentationszentrum Köln

Vom 6. November 2009 bis 17. Januar 2010 zeigt das NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln die Sonderausstellung: “Von wegen Heilige Nacht!” – Weihnachten in der politischen Propaganda.

Die Schau hat eine familiäre Vorgeschichte: Die beiden Ausstellungsmacherinnen Rita Breuer und ihre Tochter Dr. Judith Breuer wollten ihrer Familie einmal den Wunsch erfüllen, einen Weihnachtsbaum wie zu Großmutters Zeiten geschmückt zu haben. Bei der Suche nach altem Christbaumschmuck wuchs die Neugier auf alles, was Weihnachten in früheren Zeiten dokumentierte: Adventskalender, Weihnachtspostkarten, Christbaumständer, Krippen aus Papier, Dekorationen und vieles mehr. Doch manche Funde wollten gar nicht mehr zu ihrem Bild von Weihnachten passen: Feldpostkarten aus dem Ersten Weltkrieg mit Motiven von Handgranaten, Christbaumschmuck in Form von Soldaten und U-Booten oder auch Weihnachtskalender, in den viel von “Bluterbe, Sippen, Ahnen und Sinnzeichen” die Rede war, sorgten zunächst für Verwunderung.

Doch bald wurde den Sammlerinnen klar, dass es sich bei diesen Funden nicht um einzelne Geschmacklosigkeiten oder Kuriositäten handelte. Sie entdeckten vielmehr ein System verschiedener Manipulationen, mit denen – je nach zeitgeschichtlichem Hintergrund – höchst unterschiedliche Ziele verfolgt wurden. Die damit verbundenen Absichten waren dabei in der Regel nicht auf den ersten Blick erkennbar. Vor diesem Hintergrund verdichtete sich bald die Erkenntnis, dass das Weihnachtsfest immer wieder in der politischen Propaganda missbraucht wurde, seit diese Feier sich im 19. Jahrhundert zum bürgerlichen Familienfest entwickelte.

In der Ausstellung wird das Weihnachtsfest im Ersten Weltkrieg thematisiert, die Soldatenfeiern an der Front und die Militarisierung des Kinderzimmers. Die 1920er Jahre präsentieren den Gegensatz zwischen Arm und Reich, zwischen “weißen Bäumen” mit kühlem Silberschmuck und hungernden Menschen. Den größten Teil der Ausstellung nimmt das Thema Weihnachten im Nationalsozialismus ein, mit dem Versuch, das christliche Fest zur “völkischen” Sonnenwendfeier umzufunktionieren – mit “Sinngebäck”, dem “Schimmelreiter” statt Nikolaus, mit Lichtersprüchen und einem Mutter-Kind-Kult. Der Zweite Weltkrieg erhält eine besondere Betonung mit dem Mythos der “Soldatenweihnacht” und einem immer einfacheren Weihnachtsfest an der Heimatfront. Den Abschluss bildet die Weihnachtszeit im Kalten Krieg, geprägt von den “Päckchen für drüben” und den “garstigen Weihnachtsliedern” “linker” Autoren der 68er-Bewegung sowie den “Jolkafeiern”, dem “Großväterchen Frost” und der “Jahresendfigur” in der DDR. Ein Blick auf weihnachtliches Propaganda-Material aus dem Umfeld rechtsextremistischer Kreise macht deutlich, wie aktuell das Thema bis heute ist.

Die Ausstellung wird von vier Veranstaltungen begleitet, die die verschiedenen Themen vertiefen.

Mit der Erforschung und Dokumentation ihrer umfangreichen Sammlung haben Rita und Dr. Judith Breuer geschichtliches Neuland betreten. Dazu ist ein Begleitband erschienen, der an der Kasse des NS-Dokumentationszentrums erhältlich ist.

Die Ausstellung “Von wegen Heilige Nacht!” ist Teil des 14. Kölner Krippenweges vom 23. November 2009 bis 6. Januar 2010. In der Ausstellung werden verschiedene Krippen präsentiert. So erinnert eine Krippe an den “Kessel von Stalingrad”. Der katholische Divisionspfarrer Franz-Josef Göttke kam mit Resten einer Panzerdivision noch aus dem “Kessel” heraus und wurde am Ufer des Doms als Wache eingesetzt. Für das bevorstehende Weihnachtsfest bastelte er für seine Kameraden im Dezember 1942 aus Materialien wie Holz, Wäschestoff, Papier und abgeschabter Farbe die Krippenfiguren. Die Köpfe knetete er aus Brotteig, der später aushärtete. In einer Munitionskiste verstaut, überdauerten die Krippenfiguren den Krieg.

Zu sehen sind auch zwei Krippen zum Aufklappen, Feldpostgaben aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Derartige Krippen aus Papier oder ausgesägtem Holz konnten ganz flach zusammengelegt und somit leicht an die Soldaten verschickt werden.

Eine weitere Krippe stammt von Anfang der 1950er Jahre. Beim Kauf eines Pfundes Margarine gab es jeweils eine Sammelfigur als Werbegeschenk dazu. Die in der Ausstellung gezeigte Krippe wurde aus einer Vielzahl solcher “Margarinefiguren” zusammengestellt und ist noch im Originalzustand erhalten.

Weitere Informationen finden Sie hier:

NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln

Appellhofplatz 23
50667 Köln
Tel.: 0221 – 221-26332

www.nsdok.de