CityNEWS im Interview mit der Band Juli

Lange ersehnt meldet sich die Band Juli nun endlich zurück. Nach kreativer Pause und intensiver Arbeit am 3. Studioalbum geht die Band im November 2010 wieder in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf Tour. / copyright: PR / A.S.S. Concert & Promotion
Lange ersehnt meldet sich die Band Juli nun endlich zurück. Nach kreativer Pause und intensiver Arbeit am 3. Studioalbum geht die Band im November 2010 wieder in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf Tour.
copyright: PR / A.S.S. Concert & Promotion

Mit ihren ersten beiden Alben „Es ist Juli“ und „Ein neuer Tag“ hat die Band Juli nicht nur Chartshöchstpositionen, sondern längst auch Kultstatus erreicht. Seit dem 17.09. ist nun nach einer längeren Pause endlich das dritte Album der Gießener erhältlich. CityNEWS sprach mit den Bandmitgliedern Eva Briegel, Marcel Römer und Simon Triebel über das neue Album „In Love“.

Juli schickt uns mit elektrischen Gefühlen in den Herbst

CityNEWS: Hallo Juli! Nach eurem letzten Album, das vor vier Jahren erschien, hat man nicht mehr viel von euch gehört. Was habt ihr in der Zwischenzeit gemacht?

Eva Briegel: Wir sind noch ein halbes Jahr als Band unterwegs gewesen, haben dann aber festgestellt, dass wir uns auch mal unserem Privatleben widmen wollen. Wir sind zwischenzeitlich alle umgezogen und haben uns ein bisschen über Deutschland verteilt. Es war einfach Zeit, dieses ganze „Juli“-Ding erst mal ruhen zu lassen. Musik haben wir trotzdem alle gemacht, haben uns nach neuen musikalischen Spielplätzen umgesehen, standen aber immer lose in Kontakt zueinander. Vor etwa zweieinhalb Jahren haben wir dann angefangen erste Soloskizzen auszutauschen, haben uns gegenseitig Mixtapes zugeschickt, um den anderen zu zeigen was man selbst gerade hört und zu erfahren, wie die Anderen sich gerade so orientieren. Simon war eine ganze Weile in den USA und eher so auf Surfer-Punk und diesen Singer-Songwriter Sachen. Ich bin viel in Berlin ausgewesen und haben eher so elektronische Musik gehört, die auch betanzbar ist. Mit diesen ganzen neuen Eindrücken sind wir dann also irgendwann wieder zusammen im Studio gelandet.

CityNEWS: Wie funktioniert ein solcher Austausch, wo ihr doch alle so weit auseinander gewohnt habt? Über das Internet?

Eva Briegel: Genau. Wir wollten doch mal sehen, was die modernen Kommunikationsmittel uns so bieten können und haben uns zuhause an unseren Computern mit spezieller Musikverarbeitungssoftware vertraut gemacht. Wir haben uns einen Band-Server angeschafft, auf dem jeder die Skizzen hinterlegen konnte, die er interessant fand. Diese konnte sich dann der nächste auf seinen Computer ziehen und weiter daran arbeiten. Dann hat er es wieder hochgeladen und der nächste durfte wieder etwas neues einbringen. Also ein bisschen wie „stille Post“. So kommt es auch zu der elektronischen Anmutung des ganzen Albums. Wir haben diesmal darauf verzichtet, uns gleich in den Proberaum zu stellen und erstmal alles mit den Gitarren durchzuspielen.

CityNEWS: Das heißt, dass die neuen Songs tatsächlich einmal queer durch Deutscland über das Internet entstanden sind?

Eva Briegel: Im Endeffekt schon. Wir dachten, wir gehen damit ins Studio und nehmen die Songs neu auf. Bei vielen Sachen haben wir dann gemerkt, dass die ganz geil sind, wie sie schon waren. Da dann noch etwas neues draufzupressen, machte überhaupt keinen Sinn, weil das geile in verschiedenen Liedern halt eben dieser Synthie-Sound ist, oder der Krach am Schluss. Bei einem Track hört man Vögel im Hintergrund, weil ich die Gesangslinie auf meinem Balkon eingesungen habe. Solche Dinge haben wir dann einfach draufgelassen.

CityNEWS: Ist das neue Album denn durch diese ganzen neuen Einflüsse anders, als das, was wir sonst so von Juli kennen?

Simon Triebel: Der Kern, das was uns als „Juli“ ausmacht, ist auf diesem Album definitiv noch vorhanden. Aber wir haben unseren Kosmos erweitert. Es ist sicher spannend, uns in diesem neuen Gewand wieder neu zu entdecken. Für uns persönlich war es das jedenfalls. Viel besser, als wenn wir jetzt „Es ist Juli – Volume 3“ herausgebracht hätten. Natürlich gibt es Fans, die das gerne hätten und vielleicht auch von uns erwarten. Aber ich finde es ganz gut, so wie es jetzt geworden ist.

CityNEWS: Steckt durch diesen neuen Produktionsprozess noch mehr Persönlichkeit in den neuen Songs?

Simon Triebel: In unserer Musik steckte schon immer viel Persönlichkeit. Ich denke, wir haben uns ja mit der Zeit auch verändert. Zwischen dem ersten und dem dritten Album sind ja sechs Jahre vergangen. Die Veränderung ist eine ganz natürliche Entwicklung.

CityNEWS: Euer neues Album heißt „In Love“. Das ist ein ungewöhnlicher Titel für eine Band, die deutsche Texte singt…

Simon Triebel: Am Anfang sammelten wir alles was uns einfiel und uns albumtiteltauglich schien. Irgendwann bekam ich eine e-Mail von Eva, in der sie eben diesen Titel vorschlug. Ich habe mich direkt in diesen Titel verliebt, traute mich aber nicht, es den Anderen zu sagen. Später stellte sich heraus, das er den Anderen auch gefällt. Ich finde es ganz gut, eben das zu tun, was von einem als Band nicht erwartet wird. Wie jetzt eben von uns als deutschsprachiger Band einen englischen Albumtitel. Unsere Texte sind auch weiterhin deutsch. Es gibt nur einen Song, der heißt „Ich bin in Love“ – das war es dann aber auch schon mit englisch. „In Love“ hat irgendwie mehr Bedeutung als „Ich bin verliebt.“. Der Ausdruck ist viel universaler und hat viel mit Hingabe zu tun.

Eva Briegel: Und wir jungen Leute reden ja auch gerne mal englisch. Aber es hat auch schon ein bisschen damit zu tun, dass wir keine Lust mehr hatten, immer in diesen Grenzen zu bleiben. Es gibt nichts, was uns verpflichtet, deutsche Texte zu machen. Wir wollen keine Angst haben, wegen so etwas später nicht mehr in den Regalen der Plattenläden zu stehen.

CityNEWS: Am 11. November macht Ihr Station im Kölner E-Werk. Was wird euch da für Puplikum erwarten? Sind das die gleichen Fans die auch auf der letzten Tour waren?

Marcel Römer: Ja, das ist eine sehr gute Frage. (lacht)

Eva Briegel: Wir sind diesmal ein bisschen „kleiner gegangen“. Das E-Werk ist auch schon der größte Schuppen, in dem wir auf der Tour spielen werden. Wir sind schon sehr gespannt, wer da so vor uns steht.

CityNEWS: Habt ihr in den letzten Jahren in irgendeiner Form noch Feedback von euren Fans bekommen? Gibt es da irgendeinen Austausch?

Eva Briegel: Ja, es gibt tatsächlich Leute, die sind uns über die ganze Zeit hinweg treu geblieben. Die sind dann in Fan-Foren aktiv und da gucken wir natürlich ab und an, was da passiert.

Simon Triebel: Auch bei Facebook haben sich viele Leute, schon bevor etwas von dem neuen Album zu hören war, gemeldet und Karten gekauft. Viele warten natürlich erstmal ab, bis Sie die neuen Songs gehört haben und entscheiden dann, ob sie uns nochmal sehen wollen.

Marcel Römer: Bei Amazon und iTunes gibt es ja auch schon die ersten Rezensionen. Die sind ganz verschieden, aber alle interessant.

CityNEWS: Was schreiben die Leute ?

Marcel Römer: Naja, der eine schreibt halt: Voll geil, völlig neuer Sound, ich freu mich schon aufs Konzert – der Andere beschwert sich, dass die Musik nicht die selbe ist wie früher. Das ist das, was Eva gerade schon beschrieben hat. Derjenige hat dann halt Pech gehabt. Ich glaube aber auch, dass man die Platte zwei, dreimal hören muss. Dann finden die auch alle gut. Da bin ich sicher.

CityNEWS: Die ersten beiden beiden Alben „Es ist Juli“ und „Ein neuer Tag“ haben sowohl in Deutschland, als auch in Österreich und der Schweiz sehr hohe Chartplatzierungen erreicht. Setzt euch das irgendwie unter Druck?

Eva Briegel: Naja, wir versuchen das so ein bisschen zu vermeiden. Wenn man so etwas irgendwann schon einmal erreicht hat und dann alles andere, was man danach macht, versucht daran zu messen, dann wird man, glaube ich, sehr schnell sehr, sehr unglücklich. Uns war einfach wichtig was wir mögen und wir freuen uns mit
den neuen Sachen wieder auf die Bühne zu können. Ich glaube, hätten wir uns hingesetzt und gesagt „Wir schreiben jetzt ein Album und versuchen es so erfolgreich wie möglich zu machen, wenn wir uns nur daran orientiert hätten, was andere Leute interessieren könnte, dann hätten wir auch keine Lust damit auf Tour zu gehen. Das Album ist für uns mehr persönlicher Erfolg, als wenn wir jetzt irgendwelche Songs, die wir selber aber gar nicht so super finden, vor 10.000 Leuten auf der Bühne bringen würden.

Simon Triebel: Den Ernst haben wir schon gleich zu Anfang, noch am Tag an dem wir beschlossen das Album zu machen, abgelegt. Als wir unserem Produzenten erklärt haben, dass wir kein klassisches Rock-Album machen wollen, sondern uns lieber ein bisschen neu ausprobieren, da sagte er: „Ihr wollt den Weg des Schmerzes? Na gut, ich bin dabei!“ Ich glaube an dem Tag war uns dann auch allen bewusst, dass es passieren könnte, dass viele sagen, sie könnten mit unserer Musik nichts mehr anfangen. Aber so ist es einfach mit Herzblut gemacht. Ob die Leute das zu schätzen wissen, wird sich dann zeigen.

Eva Briegel: Ich finde, es ist auch mehr wert, wenn hundert Menschen sagen: „Ich finds so richtig, richtig geil,“ als wenn tausend es „ganz ok“ finden.

CityNEWS: Was ist euer persönliches Lieblingsstück auf dem neuen Album?

Marcel Römer: Das wechselt ständig. Heute habe ich gar kein Lieblingsstück.

Eva Briegel: Du hast heute kein Lieblingsstück?

Marcel Römer: Kein explizites. Aber wenn ich mich jetzt entscheiden muss, dann wähle ich „In Love (Paris)“, weil es für die Band etwas komplett neues ist. Als ich es meinen Freunden zum ersten mal vorgespielt habe, dachten die zuerst „was ist denn da los?“ Erst wenn der Refrain losgeht, verschwinden dann die Fragezeichen aus den Gesichtern. Und beim zweiten oder dritten mal kommt dann so „Ach ja, Stimmt!“ Das ist wundervoll. Ist das ein Chanson?

Eva Briegel: Ja, es ist chansoesk.

Marcel Römer: Sowas gab es von uns jedenfalls noch nicht. Das Lied sticht einfach raus.

Eva Briegel: Eines meiner Lieblingsstücke ist „Süchtig“, weil es tanzbar ist. Außerdem hat es etwas filmisches, ist sehr atmosphärisch und trotzdem ist es gutes Songwriting. „Süchtig“ hat eine gewisse Größe, ist sehr opulent. Ein weiterer Liebling wäre „Maschinen“. Dieses Lied ist total verspielt und durchspickt mit vielen kleinen Minisounds. Das hat so etwas gepuzzeltes und ist sehr liebevoll umgesetzt. Da kommt dann hier mal so ein kleiner Sound, und da noch einer…

Simon Triebel: Ich sage mal „Immer wenn es dunkel wird“. Das ist ein Song, der einfach das verkörpert, was ich an Juli einfach sehr, sehr gerne mag. Naja, eigentlich find ich das ganze Album gut.

CityNEWS: Eure Texte schreibt ihr immer selbst. Wodurch lasst ihr euch da inspirieren?

Eva Briegel: Ich glaube zum Texten muss man nur offen sein und sich auch als Texter verstehen. Mann muss sich ein Buch einstecken, und alles was einem gefällt muss man sich aufschreiben. Man muss einfach auch im Alltag seine Antennen ausfahren und alles auf sich wirken lassen. Wenn man die Ruhe besitzt alles zu beobachten, dann findet man überall Sachen, die es wert sind, beschrieben zu werden.

Simon Triebel: Wir sind große Fans des Moments und beschreiben oft Momente, die einfach mal besungen werden müssen. Es ist oft so, dass Leute in ‘nem ganz normalen Gespräch irgendwelche Sätze raushauen und du dir denkst: Ja! Das ist es!

CityNEWS: Was würdet ihr jetzt machen, wenn es mit euch in der Musikbranche nicht so erfolgreich verlaufen wäre?

Marcel Römer: Wenn es mit der Musik nicht erfolgreich geklappt hätte, dann wäre ich jetzt wohl erfolgloser Musiker. Wenn ich gar nichts mit Musik gemacht hätte, dann wäre ich wohl Arzt geworden. Internist oder Kardiologe.

Eva Briegel: Ich habe keine Ahnung. Vielleicht bin ich auch Musikerin geworden, weil ich mich nicht so ganz auf etwas anderes festlegen wollte. Vielleicht wäre ich im Journalistenlager gelandet, weil ich gerne mit Sprache arbeite oder Lektorin, weil ich so gerne lese. Vielleicht aber auch Köchin. Aber da muss man so viel mit Fleisch machen – das ist doof. Eigentlich wollte ich ja immer die vegetarische Küche in Deutschland ein bisschen vorantreiben, weil sich hier doch immer alles so aufs Fleisch konzentriert. In der Lehrzeit, da muss man ja dann aber auch Tiere ausnehmen und so. Das könnte ich nicht.

Simon Triebel: Also ich wäre sicherlich Grafiker geworden. Ich bin halt so ein visuell-audiophiler Typ.

CityNEWS: Eva, du bist ja im Februar Mutter geworden. Dann jetzt das neue Album, bald die Tour… Wie bringst du das alles unter einen Hut?

Eva Briegel: Das funktioniert sehr gut. Mein Freund ist auch Musiker und hat gerade nicht so viel zu tun. Deswegen leistet er da im Moment viel Betreuungsarbeit. Die beiden sind immer mit dabei und warten bis ich wiederkomme. Und dann, dann wird geschmust.
Manchmal ist es natürlich schwierig, weil ich mich ständig frage, was die beiden wohl grad machen. Aber eigentlich klappt das mit dem Aufteilen ganz gut. So darf jeder mal raus, bekommt aber auch immer mit, was zuhause so passiert. Das kann ich jedem nur Empfehlen.

CityNEWS: Als Kölner Stadtmagazin interessiert es uns natürlich, was ihr als Gießener mit Köln verbindet…

Simon Triebel: Den Roseclub! Wir waren früher, in unseren Anfängen jeden Abend im Roseclub. Der hat uns damals echt beeindruckt.

Eva Briegel: Hmm… Wir waren schon so oft hier und deswegen fallen mir so viele Geschichten ein. Vor zehn Jahren habe ich mal die Foo Fighters im Gebäude 9 gesehen. Da bin ich mit meinem ersten Auto, einem schäbigen Golf 1 von Gießen hierhergebrettert. Die Fahrt dauerte eineinhalb Stunden. Auf dem Konzert ist mir dann schrecklich schlecht geworden. Aber das Konzert war super.

Marcel Römer: Ich habe relativ viele Freunde in Köln. In den letzten Jahren habe ich bei einem Freund und dessen Familie gewohnt. Wenn ich mal so in Köln bin, dann bin ich in der Neusser Straße zuhause.

Autor: CityNEWS Ina Laudenberg