Mit der Made auf Mördersuche…

Die Biologin und Forscherin Saskia Reibe aus Köln praesentiert einen Käfer aus der Familie der Mistkäfer (Geotrupidae). / copyright: Roberto Pfeil / dapd
Die Biologin und Forscherin Saskia Reibe aus Köln praesentiert einen Käfer aus der Familie der Mistkäfer (Geotrupidae).
copyright: Roberto Pfeil / dapd

Forensische Entomologen wie Saskia Reibe aus Köln klären mithilfe von Insekten mysteriöse Kriminalfälle. Wenn sie sich Arbeit mit nach Hause nimmt, liegt buchstäblich der Tod auf ihrem Schreibtisch. Maden winden sich dann unter ihrem Vergrößerungsgerät.

Saskia Reibe ist eine von wenigen Biologen in Deutschland, die bei mysteriösen Todesfällen von Polizei und Rechtsmedizinern gerufen werden. Die Insektenkundlerin stieß schon zu Beginn ihres Studiums auf die forensische Entomologie, also die Verknüpfung von Kriminaltechnik und der Wissenschaft über die kleinen Krabbeltiere.

Bundesweit gibt es nur eine Handvoll solcher Experten. Fast alle Kollegen seien “per Du”, sagt Reibe. Wenn sie sich zu ihrem jährlichen europäischen Kongress treffen, kommen aus diversen Ländern einige Dutzend zusammen. Ihre Vereinigung auf Europaebene, die EAFE, hat nach eigenen Angaben 150 Mitglieder. Ihnen helfen im Arbeitsalltag vor allem Maden bei der Mördersuche: “Ich kann ungefähr berechnen, wie lange eine Person schon tot ist, indem ich das Alter der Maden bestimme, die auf dem Leichnam leben”, erläutert die promovierte Biologin ihren Alltag.

Der Besuch am Tatort gehört zum Job

Die Made ist gar ihr größter Verbündeter: Sie seien die “erste und sicherste Variante”, um über die Liegezeit einer Leiche zu urteilen. Dazu brauchen die Spezialisten viele weitere Daten wie etwa die Temperatur der Umgebung. Auch wenn es ein bisschen unheimlich ist – Reibe geht auch zu den Schauplätzen grausiger Verbrechen: “Ich rate den Kollegen immer, am Tatort vorbeizuschauen. Möglicherweise sind Insekten schon von der Leiche abgewandert.”

Kann man das Alter von Insekten bestimmen, die auf einer im Freien liegenden Leiche siedeln, kommt man recht schnell auf den Zeitraum, den ein Toter bereits dort ist: “Die Schmeißfliegen, die Sie auch vom Grillen an der frischen Luft kennen, kriegen es unglaublich schnell mit, wenn ein Leichnam dort liegt. Man kann daneben stehen bleiben und die Stoppuhr stellen. Sie legen auf dem Leichnam Eier ab, aus dem dann die Maden schlüpfen. Und die ernähren sich von der Leiche.”

Doch Vieles in der forensischen Entomologie steckt noch in den Kinderschuhen. Zwar gebe es Hunderte Jahre alte Aufzeichnungen von Naturforschern, sagt Reibe. Aber erst seit etwa 30 Jahren veröffentlichten Wissenschaftler Studien zur Besiedelung von Leichen durch Insekten. “Es ist längst nicht so routinemäßig wie eine DNA-Untersuchung”, erklärt die junge Forscherin. Dennoch könnten Experten in mysteriösen Todesfällen die Ermittlungen voranbringen: “Es gibt eben nicht nur Haare oder Spermaspuren, die einem weiterhelfen.”

Ermittler haben offenbar oft Berührungsängste

Die Ermittler sind aber offenbar sehr zurückhaltend und beauftragen kaum forensische Entomologen. Viele Staatsanwälte hofften, dass sich ein Fall “auch so klären lässt”, sagt der Präsident des Berufsverbandes Deutscher Rechtsmediziner, Hansjürgen Bratzke. So würden pro Jahr nicht mehr als 20 Aufträge vergeben, im kleineren Frankreich seien es 50 bis 60 Fälle, schätzt er.

Reibe gestaltete ihre Ausbildung weitgehend selbst, denn eine geregelte Ausbildung zum forensischen Entomologen gibt es nirgends. Auch die Studenten-Beauftragte im europäischen Verband der forensischen Entomologen, Kate Brown aus dem britischen Portsmouth, bestätigt: “Es gibt keinen direkten Weg in dieses Feld.” Die meisten ihrer Kollegen studierten zunächst Biologie oder wie Saskia Reibe speziell Insektenkunde und konzentrierten sich nachher auf die Schnittstelle zur Rechtsmedizin. Kate Brown beobachtet in ihrem Umfeld ein großes Interesse an der forensischen Entomologie. Ein Viertel ihrer Forensik-Kollegen machten Projekte auf diesem Gebiet – und seien ganz begeistert von der Aussagekraft der Maden.

Saskia Reibe treibt die wissenschaftliche Neugier im Januar nach Australien. In der dortigen Metropole Melbourne will sie erforschen, ob ein von ihr entwickeltes Modell zur Bestimmung des Alters von deutschen Maden auch bei den australischen Artgenossen Bestand hat.

Autor: dapd / BMELV/ MKULNV Redaktion