"Made in Oceania: Tapa – Kunst und Lebenswelten" im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln

'Made in Oceania: Tapa - Kunst und Lebenswelten', Ausstellungslaufzeit: 12.10.2013 bis 27.04.2014 / copyright: Rautenstrauch-Joest-Museum
‘Made in Oceania: Tapa – Kunst und Lebenswelten’, Ausstellungslaufzeit: 12.10.2013 bis 27.04.2014
copyright: Rautenstrauch-Joest-Museum

Die Sonderschau “Made in Oceania: Tapa – Kunst und Lebenswelten” präsentiert einzigartige Kunstwerke aus dem Museumsbestand, kostbare Leihgaben aus europäischen Museen und bisher in Europa noch nie gesehene Leihgaben aus dem neuseeländischen Nationalmuseum in Wellington und dem Australian Museum in Sydney.

Was verbindet den Entdecker James Cook, die Meuterer der Bounty und etwa 15 Millionen Menschen in Ozeanien? Ein einzigartiger Stoff, hergestellt aus Baumrinde. Ob als Kleidungsstück in Hawaii, als Ritualmaske in Papua-Neuguinea oder als Raumteiler in Fidschi, ob als wichtige Gabe bei Hochzeiten in Samoa oder sogar als „roter Teppich” bei Krönungszeremonien in Tonga – Tapa ist im Pazifik allgegenwärtig und die materielle Ausdrucksform pazifischer Identität. Dennoch ist dieser faszinierende Stoff hierzulande bisher kaum bekannt.

Bei der Ausstellung im Rautenstrauch-Joest-Museum (RJM) reicht dabei die Zeitspanne von den ältesten Objekten aus dem 18. Jahrhundert – der Cook-Sammlung – bis zu rund 35 Werken zeitgenössischer Künstler aus Polynesien und Melanesien wie zum Beispiel John Pule, Fatu Akelei Feu’u, Michel Tuffery, Shigeyuki Kihara, Dagmar Dyck, Timothy Akis oder Mathias Kauage. Die gezeigten Rindenbaststoffe stammen aus Papua-Neuguinea, den Salomonen und Vanuatu, aus Samoa, Tonga, Futuna, Niue und Fidschi.

Als besonderes Highlight stimmt die Fotoarbeit “Ocean III” von Andreas Gursky die Besucher gleich zu Beginn der Ausstellung auf die Region Ozeanien ein. Gursky verwendet in dieser Arbeit hochauflösendes Satelliten-Material und ergänzt es mit diversen Bildquellen aus dem Internet. Satelliten-Fotos beschränken sich auf die Wiedergabe scharf umrissener Landmassen; Wasserflächen werden dagegen meist vernachlässigt. Für “Ocean III” erzeugte Gursky daher die Übergangszonen zwischen Land und Wasser sowie auch die weite Fläche des pazifischen Ozeans vollständig künstlich. So rückt er ins Zentrum, was die Kartografie nur schematisch und am Rande behandelt, weil es ökonomisch kaum nutzbar ist: das Meer. Im gleichen Ausstellungsbereich symbolisiert eine etwa drei Quadratmeter große Tapa aus Tonga die Seefahrts- und Besiedlungsgeschichte des Pazifiks.

Auf den Spuren großer Entdecker und Seefahrer

Historische Originalobjekte von James Cook und Georg Forster stellen die “Entdeckungsfahrten” des späten 18. Jahrhunderts vor und führen die Besucher in die Ausstellung ein. In Europa wurde die erste Begegnung zwischen Europäern und den Bewohnern der pazifischen Inseln bisher meist nur aus westlicher Perspektive erzählt – Michel Tuffery, ein neuseeländischer Künstler mit samoanischen Wurzeln, stellt in einer raumgreifenden Installation seine polynesische Perspektive dar und bricht so mit der in Europa üblichen Sichtweise. Der Dialog zwischen westlichem und ozeanischem Blickwinkel bildet ein Grundprinzip der Ausstellung.

Der Rolle von Tapa in der historischen Studiofotografie des 19. Jahrhunderts ist ein eigener Ausstellungsbereich gewidmet. Das in Europa unbekannte Material wurde für die Inszenierung und Exotisierung der porträtierten Inselbewohner genutzt. Hier kontrastieren ausgewählte Beispiele aus dem historischen Fotoarchiv des RJM mit Fotoarbeiten der neuseeländischen Künstlerin Shigeyuki Kihara, die 2008/2009 eine Einzelausstellung im Metropolitan Museum of Art in New York hatte.

Im Zentrum der Ausstellung stehen Tapa aus Melanesien, Polynesien und der Übergangsregion Fidschi. Teils thematisch, teils regional zusammengestellt, ermöglicht die Ausstellungsgestaltung, sowohl die Aura einzelner Kunstwerke hervorzuheben als auch ausgewählte Objekte in Szene zu setzen. Zentrale Themen der Ausstellung sind Gabentausch, Ausdrucksformen von Religion, Auswirkungen des Tourismus auf die Stellung von Mann und Frau oder auch Wandel und Kontinuität der Objekte (z.B. Kleidung) ehemals unter dem Einfluss von Mission und Kolonialisierung, heute im Rahmen der Globalisierung. Immer wieder neu wird dabei der Zusammenhang von Tapa und Identität in den Ursprungs- und Diasporagesellschaften beleuchtet. Die verschiedenen Ausstellungsstationen ermöglichen den Besucherinnen und Besuchern individuelle Zugänge auf vielfältigen Wahrnehmungs- und Bedeutungsebenen.

Das “Fidschi-Haus”, eine zeitgemäße Interpretation eines historischen fidschianischen Versammlungshauses, ist zugleich Verweilplatz für die Besucher als auch Veranstaltungsort für das hochkarätige Rahmenprogramm der Ausstellung. Hier findet sich auch die größte Tapa der Ausstellung, ein fast 60 Quadratmeter großer Raumteiler aus Fidschi. Die Herkunft dieses einmaligen Objektes aus dem späten 19. Jahrhundert ist spannend beschrieben und zeigt die Verbindung zu bedeutenden Akteuren der fidschianischen Geschichte.2

Kunst und Kultur mit allen Sinnen erleben

Den krönenden Abschluss der Ausstellung bilden ausgewählte zeitgenössische Kunstwerke, bei denen sich Künstlerinnen und Künstler aus Polynesien und Melanesien gezielt mit Tapa auseinandergesetzt haben. In ihren Arbeiten bedienen sie sich der historischen Bildsprache, der Funktionen und/oder des Materials und stellen Tapa in neue Kontexte. Die Arbeiten sind geografisch gehängt, grenzen jeweils an die regionalen Bereiche und führen diese durch die Perspektive Kunst wieder zusammen. Mit diesem unmittelbaren und intuitiven Zugang zu Kultur und Identität entlässt der Ausstellungsrundgang die Besucher in die Gegenwart.

Film- und Hörstationen lassen die Menschen und Geschichten hinter den rund 250 Objekten für die Besucher lebendig werden und stellen Verbindungen her zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Alltagsgegenstand und Kunst und von Insel zu Insel.
Sowohl bei der Entwicklung des Ausstellungskonzepts als auch in der Präsentation der Objekte oder im Rahmenprogramm spielen die Bewohner des Pazifiks eine zentrale Rolle. Dies gilt sowohl für historische Quellen, als auch für zeitgenössische Produzenten, Künstler, Träger und Vermarkter. Sie sind nicht nur in Filmen und Interviews immer wieder präsent, sie haben das Museum auch bei der Auswahl der Objekte und der Geschichten, die mit ihnen erzählt werden sollen, unterstützt. Viele der ausgestellten Künstler sind während der Laufzeit der Ausstellung persönlich anwesend, um sich in Künstlergesprächen und Workshops direkt mit den Besuchern auszutauschen.

Auf Begegnungstour fremder Kulturen

Besuchern bietet die Ausstellung die einmalige Gelegenheit, noch nie gezeigte Kunstwerke zu sehen und gleichzeitig alte und neue Ausdrucksformen von Kulturen aus dem pazifischen Raum kennenzulernen. Viele der dargestellten Themen bieten Anknüpfungspunkte für weitere Auseinandersetzungen und werfen Fragen auf, die Menschen weltweit bewegen. Welche Rolle spielt Kunst als Ausdrucksform von kultureller und individueller Identität? Welche Rolle spielt die Rückbesinnung auf die eigene Kultur im Rahmen von Globalisierungs- und Migrationsprozessen? Tapa war und ist Ausdruck historischer und gegenwärtiger ozeanischer Identitäten. Wer sich für Kunst und gesellschaftliche Fragen und deren besondere Wechselbeziehung interessiert, sollte diese Ausstellung nicht verpassen.

Die Sonderausstellung wird gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes und die Kunststiftung NRW.

Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher, zweisprachiger Begleitband im Mainzer Nünnerich-Asmus Verlag mit Text- und Bildbeiträgen international renommierter Fachwissenschaftler aus den USA, Australien, Neuseeland und Europa zu den vielfältigen sozialen und kulturellen Bedeutungen von Rindenbaststoffen in Ozeanien. Ein Ausstellungsverzeichnis mit Objektfotos liegt in digitaler Form bei. Der Katalog ist in gebundener Form im Buchhandel sowie in der Reihe Ethnologica als Softcover im Museumsshop erhältlich.

Parallel zur Ausstellung bietet die Ecosign/Akademie für Gestaltung in Köln im WS 2013/14 den Hochschulwettbewerb “Tapa als natürlicher Werkstoff für Mode- und Produktdesign” an. Im Januar 2014 richtet das RJM in Kooperation mit dem Cologne Institute of Conservation Sciences (CICS) der Fachhochschule Köln eine zweitägige internationale und interdisziplinäre Fachkonferenz aus. Zur Ausstellung wird ein vielfältiges Rahmenprogramm mit Künstlergesprächen und Workshops, Performances, Fachvorträgen, Filmen, Kuratorenführungen und Programmen für Schulklassen angeboten.

Weitere Infos unter www.museenkoeln.de und unter www.made-in-oceania.com

Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt

Cäcilienstraße 29-33
50667 Köln

Telefon: 0221 – 221 – 313 56
Telefax: 0221 – 221 – 313 33

Öffnungszeiten:
Di – So. 10 – 18 Uhr
Do. 10 – 20 Uhr
1. Do. im Monat: 10 – 22 Uhr (außer an Feiertagen)
Mo. geschlossen.

Autor: Redaktion / Museumsdienst Köln