Kinderwunsch: Methoden, Chancen und Grenzen der künstlichen Befruchtung

Kinderwunsch: Methoden, Chancen und Grenzen der künstlichen Befruchtung cpüyright: pixabay.com
Kinderwunsch: Methoden, Chancen und Grenzen der künstlichen Befruchtung
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Dank medizinischer Fortschritte müssen Paare einen unerfüllten Kinderwunsch nicht mehr hinnehmen. In rund 120 deutschen Kinderwunschkliniken wurden im Jahr 2012 77.000 Behandlungen durchgeführt, knapp jeder dritte Eingriff führte zu einer erfolgreichen Schwangerschaft. Was Paare mit Kinderwunsch bei der Entscheidung für eine operative Behandlung dennoch beachten sollten, verrät der Beitrag über Chancen und Methoden der künstlichen Befruchtung.

Was in der Regel als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt wird, entwickelt sich nicht selten als große Herausforderung. Für Paare, die sich mit einer ungewollten Kinderlosigkeit konfrontiert sind, wird der Wunsch nach einer Schwangerschaft schnell zur allumfassenden Belastung, unter der zwangsläufig auch die Beziehung leidet.

Dominieren zu Beginn der Entscheidung für ein gemeinsames Kind Euphorie, freudige Erwartung und Hoffnung, schwindet die positive Stimmung mit jedem Zykluswechsel. Wenn statt des ersehnten zweiten Striches auf dem x-ten Schwangerschaftstest die einsetzende Periode den Schwangerschaftstraum immer wieder erneut platzen lässt, steigen Frustration und Verzweiflung bis zur Wut auf all jene, bei denen es sofort klappen will. Denn auch wenn eine Schwangerschaft statistisch gesehen Zeit braucht – erst nach einem Jahr sind etwa 80 Prozent der Paare schwanger, nach zwei Jahren sind es weit über 90 Prozent (Quelle: www.stern.de), helfen weder die optimistischsten noch realistischsten Angaben wenig, wenn man als Betroffene zu den wenigen Prozent gehört, die nicht ins Raster fallen.

Wenn die biologische Uhr tickt: Das Alter ist bei Frauen der größte Faktor für einen unerfüllten Kinderwunsch

Wenn die biologische Uhr tickt: Das Alter ist bei Frauen der größte Faktor für einen unerfüllten Kinderwunsch copyright: pixabay.com
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Zudem gibt die vielen verunsicherten Mythen: die Frauen im Freundeskreis, die nach dem ersten Versuch schwanger wurden, die, die es gar nicht darauf angelegt hatten. Jene, die im Urlaub – fern ab des Alltags- und Zeugungsstress – schwanger wurden. Oder die, die mit dem Kinderwunsch abgeschlossen hatten und dann urplötzlich auf natürlichem Wege empfangen konnten. Neben dem Gerücht, die Psyche blockiere eine erfolgreiche Schwangerschaft, weil es das Paar zu verkrampft versuche, gibt es noch den Faktor Zeit, der tatsächlich eine erhebliche Rolle bei der Kinderplanung spielt. Experten sehen den häufigsten Grund für Kinderlosigkeit im Alter der Frau. Die Fruchtbarkeit ist mit 25 Jahren am höchsten und nimmt danach kontinuierlich ab, ab 35 dann rapide. In Zahlen ausgedrückt, bedeutet dies, dass der Körper einer 35-jährigen Frau nur noch halb so empfängnisbereit ist, wie es mit 25 der Fall gewesen wäre. Die Empfängisbereitschaft einer gesunden Frau sinkt zwischen dem 25. und dem 35. Lebensjahr von circa 80 Prozent auf ungefähr 50 Prozent. Entsprechend steigt die Unfruchtbarkeitswahrscheinlichkeit von 5 auf 30 Prozent an (Quelle: www.babycenter.de). Zwar sinkt auch bei Männern mit dem Alter die Fruchtbarkeit, aber ab einem wesentlich späteren Alter und weitaus weniger drastisch.

Alleine in Deutschland gibt es 120 offizielle Kinderwunschkliniken

Alleine in Deutschland gibt es 120 offizielle Kinderwunschkliniken copyright: pixabay.com
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Dennoch lassen sich immer mehr Paare Zeit mit der Kinderplanung. Galt noch vor 20 Jahren eine Frau mit Mitte 30 als Spätgebärende, wird dieses Alter heute in Folge bessere Ausbildungs- und Karrieremöglichkeiten für Frauen und der medizinischen Fortschritte in Bereich der Fortpflanzungstechnik als normal gewertet.

1977 gelang britischen Forschern die erste künstliche Befruchtung einer Frau, 1982 dann kam das erste deutsche Retortenbaby zur Welt. Seitdem hat sich die Fortpflanzungsmedizin ständig neu entwickelt. Was früher eine Sensation war, gilt heute als Routineeingriff. Mittlerweile gibt es alleine in Deutschland 120 offizielle Kinderwunschkliniken; nach der Statistik des deutschen Registers für künstliche Befruchtung (DIR), das seit 1982 Daten über die humane Reproduktionsmedizin erhebt, kamen zwischen 2001 und 2013 pro Jahr im Schnitt 12.852 Kinder zur Welt (Quelle: www.planet-wissen.de). Im Jahr 2012 wurden in Deutschland rund 77.000 Behandlungen durchgeführt. Statistisch gesehen führen 30 Prozent aller Behandlungen zu einer erfolgreichen Schwangerschaft; im Jahr 2012 konnten allerdings nur 8.700 betroffene Paare nach einer Behandlung ihr Wunschkind in den Armen halten.

Insemination, IVF und ICSI: Welche Methoden der künstlichen Befruchtung gibt es?

Welche Methode der künstlichen Befruchtung gewählt wird, hängt von vielerlei Faktoren ab – auch die Erfolgsrate ist von Paar zu Paar unterschiedlich.

Grundsätzlich gibt es vier Behandlungsoptionen, auf die im Fall von unerfülltem Kinderwunsch zurückgegriffen werden kann:

  1. Bei der Insemination wird zwischen der homologen und heterologen Insemination unterschieden. Dabei werden die Samenzellen des Ehemannes (homologe Behandlung) oder de eines anonymen Spenders (heterologe Option) direkt mit einer Spritze oder über einen weichen Katheter in die Gebärmutter (intrauterin), den Gebärmutterhals (intrazervikal) oder den Eileiter (intratubar) gespritzt. Die Samenzellen müssen selbständig bis zur befruchtungsfähigen Eizelle finden. Vorab, zu Beginn des Zyklus, werden die Eierstöcke durch die Zugabe von Hormonen stimuliert, und parallel die entnommenen Spermien aufgewertet. Die Behandlung ist gänzlich vom Geschlechtsverkehr des Paares abgekoppelt und verkürzt de facto den Weg der Spermien zu dem zu befruchtenden Ei.

    Diese Methode wird meist als erste Methode in Kinderwunschkliniken durchgeführt, weil sie vergleichsweise unkompliziert und vor allem finanziell weniger belastbar ist. Zu empfehlen ist diese Methode, wenn der Mann nicht über eine ausreichende Menge an beweglichen Spermien verfügt, nicht in der Lage ist, den Geschlechtsakt zu vollziehen oder wenn bei der Frau eine Störung im Bereich des Gebärmutterhalses diagnostiziert wurde. Die Erfolgsrate liegt bei 10 bis 20 Prozent. Nach einem Jahr werden etwa 80 Prozent der Frauen nach einer Insemination schwanger – bis zu 60 Prozent bereits innerhalb der ersten drei Behandlungszyklen (Quelle: www.9monate.de). Stellt sich in diesem Zeitraum, nach mindestens drei Behandlungen, kein Erfolg ein, werden die In-vitro-Fertilisation (IVF) oder die Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) als weitere Optionen diskutiert. Die Kosten einer Insemination ohne hormonelle Behandlung betragen circa 250 Euro pro Zyklus.

  2. Die In-vitro-Fertilisation (IVF) – lateinisch für „Befruchtung im Glas“ – ist eine Methode zur künstlichen Befruchtung. Bei der „Befruchtung im Glas“ wird das Spermium zusammen mit den Eizellen in eine Petrischale gegeben; die eigentliche Befruchtung findet anschließend in einem Brutschrank ganz natürlich statt. (Quelle: www.g-ba.de)

    Um genügend befruchtungsfähige Eizellen aus den Eierstöcken zu bekommen, werden die Eierstöcke durch die Behandlung mit Hormonen soweit angeregt, dass mehrere befruchtungsfähige Eizellen entnommen werden können. Allerdings greift in Deutschland das Gesetz, das eine Befruchtung von maximal drei Eizellen begrenzt. Überfällige Eizellen müssen entsorgt werden. Die Möglichkeit, diese für spätere Befruchtungsversuche einzufrieren, ist in Deutschland ebenfalls verboten. Ebenso die Möglichkeit der geschlechtsspezifischen Selektion. Eine Ausnahme greift bei dem Risiko geschlechtsgebundener Erbkrankheiten.

    Verläuft die Befruchtung im Reagenzglas gut, entwickeln sich Embryonen, die ab dem zweiten bis fünften Tag (nach erfolgreicher mehrfacher Zellteilung) zurück in die Gebärmutter eingepflanzt.

    Wenn mindestens ein Embryo vom Körper nicht abgestoßen wird, stehen die Chancen gut, dass die IVF den Babywunsch erfüllen kann (Quelle: www.netmoms.de). Die Erfolgsrate von der IVF liegt bei bis zu 30 Prozent, die Kosten einer kompletten IVF inklusive aller Medikamente belaufen sich im Rahmen von 3.000 bis 3.500 Euro pro Versuch.

  3. Eine Weiterentwicklung der In-vitro-Fertilisation ist intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI), bei der die Befruchtung des Spermiums mit der Eizelle nicht natürlich sondern manuell mit einer hauchdünnen Nadel geschieht. Durch das direkte Einspritzen des Samens in die Eizelle kann das Scheitern einer Befruchtung nahezu ausgeschlossen werden. So ermöglicht diese Methode auch unfruchtbaren Männern die Zeugung eines Kindes. Die Spermien werden aus dem Ejakulat, durch eine Biopsie der Hoden oder der Nebenhoden gewonnen. Die weitere Vorgehensweise nach Befruchtung der Eizelle gleicht der der IVF-Methode. Die Chancen auf Erfolg sind bei der ICSI-Methode trotz garantierter Befruchtung gleich der IVF-Methode. Das Risiko, dass der Embryo zurück in der Gebärmutter abgestoßen wird oder sich nicht weiter entwickelt, bleibt bestehen. Auch bei dieser Methode gilt die maximale Obergrenze von drei eingesetzten Eizellen als Obergrenze. Die Chancen auf einen erfolgreichen Befruchtungsverlauf liegen bei bis zu 30 Prozent, die Kosten sind bei etwa 3.800 Euro knapp höher, und sind ebenso wie bei der IVF abhängig von den Lebensgewohnheiten sowie vor allem vom Alter der Frau, da mit zunehmenden Alter die Qualität der Eizellen stark sinkt. Eine Möglichkeit der Altersgrenze zu entgehen, ist eine künstliche Befruchtung, IVF oder ICSI, mit Eizellenspende.

    Die Methode eignet sich für Frauen bei verfrühtem Einsetzen der Wechseljahre, niedriger Fruchtbarkeit, Erbkrankheiten und nach bestimmten Operationen, bis zu einem Alter von 49 wird die Eizellenspende angewendet, um Frauen in schwierigen Fällen eine Chance zu eröffnen, ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Die Eizellenspende ist unter deutschem Recht verboten, wird aber in angrenzenden europäischen Ländern erfolgreich angeboten. Die Erfolgsaussichten liegen höher als bei der herkömmlichen IVF oder ICSI (auch weil im europäischen Ausland die maximale Anzahl der befruchteten Eizellen höher angesetzt ist), die Kosten variieren von Land zu Land.

  4. Eine weitere, jedoch nicht sehr häufig praktizierte Methode ist die intratubare Gametentransfer (GIFT). Beim GIFT werden der Frau mit Hilfe einer Laparoskopie (Bauchspiegelung) Eizellen entnommen. Diese werden dann, zusammen mit aufbereiteten Samenzellen des Partners über die Bauchdecke oder mithilfe eines Katheders durch den Muttermund in einen oder in beide Eileiter gespritzt. Die Befruchtung erfolgt dann auf natürlichem Wege. Das befruchtete Ei soll in die Gebärmutter wandern und sich dort einnisten. Die Erfolgsquote der GIFT liegt in etwa bei 20 Prozent, ist aber mit etlichen Risiken alleine durch die Bauchspiegelung unter Vollnarkose verbunden. Auch besteht eine erhöhte Gefahr für eine Eileiterschwangerschaft.