Aidshilfe Köln feiert 30-jähriges Bestehen: Eine ereignisreiche Zeit liegt hinter dem Verein

Aidshilfe Köln feiert 30-jähriges Bestehen: Eine ereignisreiche Zeit liegt hinter dem Verein / copyright: Aamon - Fotolia.com
Aidshilfe Köln feiert 30-jähriges Bestehen: Eine ereignisreiche Zeit liegt hinter dem Verein
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Im Studio DuMont hat die Aidshilfe Köln ihr 30-jähriges Bestehen gefeiert. Vorstandsmitglied Elfi Scho-Antwerpes begrüßte im Namen des Vorstands die rund 170 geladenen Gäste, unter ihnen zahlreiche alte Wegbegleiter, Unterstützer, Vertreter aus Politik und Wirtschaft sowie die Geschäftsführung und Mitarbeiter.

In einem Rückblick machte Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes deutlich, wie ereignisreich die drei Jahrzehnte gewesen sind. „Der Verein musste sich alle paar Jahre neu erfinden.“ Als Gastredner waren Prof. Dr. Elisabeth Pott, Vorstandsvorsitzende der Deutschen AIDS-Stiftung und ehemalige Direktorin der BZgA, und Christian Naumann, Aufklärungsinitiative SchLAu NRW, gekommen, um aus unterschiedlichen Blickwinkeln über Prävention zu sprechen. Die Kölner Flötistin Prof. Dorothee Oberlinger sorgte für die passende musikalische Untermalung.

Mit den Stücken „Cupararee or Gray´s Inn“ aus dem 17. Jahrhundert und “The Reel of Tulloch” von James Oswald eröffnete die renommierte Kölner Flötistin Prof. Dorothee Oberlinger den Festakt zum 30-jährigen Bestehen der Aidshilfe Köln.

Am 26.11.1985 wurde die Aidshilfe Köln gegründet. Die Nachrichten aus den USA hatten für große Diskussionen und Verunsicherung innerhalb der schwulen Communities gesorgt. Niemand konnte die Meldungen über die neue Krankheit aufgrund mangelnden Wissens richtig einordnen. Mit der Gründung des Vereins sollte diese Verunsicherung behoben werden. Wichtig war, dass die Hauptbetroffenen-Gruppen in die Vereinsarbeit integriert wurden.

Ende der 80er Jahre folgte allerdings zunächst ein heftiger politischer Diskurs, wie der richtige Weg in der HIV-Prävention aussehen sollte. Die damalige Gesundheitsministerin, Prof. Dr. Rita Süßmuth, überzeugte, unterstützt von einer ganzen Reihe von Expert/innen, die damalige Bundesregierung, dass nur der Weg der Beteiligung der Hauptbetroffenen-Gruppen und ein entschiedenes Nein zu jeder Form von Diskriminierung der mit dem HI-Virus-Infizierten und an Aids-Erkrankten, erfolgversprechend sein würde. Damit wurden Phantasien und konkrete Planungen von Lagern und Absonderung Infizierter eine Absage erteilt und gleichzeitig der Weg für eine zielgruppenorientierte Präventions- und Betreuungsarbeit der regionalen Aidshilfen mit ihrem damals ebenfalls gegründeten Dachverband, der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH), frei gemacht.

Zu Beginn waren es sehr viele schwule Männer, die Aidshilfen gründeten, so auch bei der Aidshilfe Köln. Unter anderen gehörten Georg Roth und Jean-Claude Letist zu den Gründungsmitgliedern.

„In der ehrenamtlichen Arbeit waren es aber auch vor allem Frauen, die sich in der Betreuung und der Telefonberatung engagierten. Bei aller Professionalisierung von Aidshilfe, die gerade in den großen Städten und den Oberzentren sehr schnell auch hauptamtliche Kräfte einstellen konnten, waren und sind es bis heute ehrenamtlich arbeitende Frauen und Männer, die die unterschiedlichen Angebote und Projekte mit tragen,“ so Vorstandsmitglied Elfi Scho-Antwerpes in ihrem Rückblick.

Neben den 30 hauptamtlichen Mitarbeiter*innen kann sich die Aidshilfe Köln bis heute auf die Unterstützung von rund 200 Ehrenamtler*innen verlassen, die den Verein bei Veranstaltungen wie dem Run of Colours, dem Welt-Aids-Tag und während des CSDs oder bei der Präventionsarbeit helfend zur Seite stehen. Ohne dieses Engagement der ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen, die sich täglich für die Inhalte der Aidshilfe einsetzen, wäre die Arbeit um einiges schwieriger. Deswegen dankte Elfi Scho-Antwerpes sowohl den Ehrenamtler*innen als auch hauptamtlichen Mitarbeiter*innen.

Die Fortschritte in Medizin und Gesellschaft sorgten in den letzten Jahren immer wieder für eine Neuausrichtung der Arbeit. Doch auch nach 30 Jahren passt das Motto „Keine Rechenschaft für Leidenschaft“. Ein Motto, das aus den Anfangsjahren der Positiven-Selbsthilfe stammt.

Auch über dreißig Jahre nach dem Auftreten des HI-Virus und mit Unterstützung einer liberalen Politik der Parteien und gesellschaftlicher Gruppen, sofern diese nicht am rechten Rand angesiedelt sind, fehlt bis heute eine vollständige rechtliche Gleichstellung schwuler Männer ebenso wie größere Erfolge einer Entkriminalisierung von Drogengebraucher*innen. Der Umgang der Politik mit weiblichen und männlichen Sexarbeiter*innen ist eher dogmatischer geworden und verfolgt möglicherweise ein moralisches Ziel. Hier liegen einige der Gründe, warum Menschen auch heute immer wieder stigmatisiert werden, wo Akzeptanz der Person und des Lebensstils notwendig wäre.

Und laut Christian Naumann, Aufklärungsinitiative SchLAu NRW, fängt die Bildung dieser Akzeptanz schon in der Schule an: „Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt gehört in die Bildungspläne. Akzeptanz und Vielfalt stärken nicht nur schwule, lesbische und trans* Jugendliche, sondern sind für alle eine Bereicherung. Dies wäre ein Beitrag zur Entstigmatisierung von schwulen Jugendlichen und somit auch ein Beitrag zur HIV-Prävention.“

„Wenn Prävention gelingen soll, dann muss sie die Würde und die Grundrechte der Menschen ebenso respektieren, wie sie der Vielfalt der Lebensentwürfe den Raum gibt. Nur wenn allen die notwendigen Informationen zur Verfügung stehen, nur wenn alle den vollständigen Zugang zum Medizin- und Gesundheitssystem haben, nur dann werden Herausforderungen, die HIV und Aids in den letzten dreißig Jahren ausgelöst haben, in Zukunft besser bewältigt werden können“, so Scho-Antwerpes.

Die Stigmatisierung trägt maßgeblich dazu bei, dass rund 14.000 Menschen, die positiv sind, nichts von ihrer Infektion wissen. Aus Angst vor den Folgen lassen sich viele nicht testen, obwohl sie ein mögliches Risiko hatten. Eine frühe Diagnose ist wichtig, um rechtzeitig mit einer Behandlung mit den passenden Medikamenten zu starten. Auch wenn bei manchen in den letzten Jahren ein anderer Eindruck entstanden ist: Aids ist nach wie vor nicht heilbar und Prävention weiterhin unverzichtbar. Dies wurde im Vortrag von Frau Prof. Dr. Elisabeth Pott nochmals deutlich: “In der Präventionsarbeit stehen wir vor der Aufgabe, einem möglichen Entwarnungseffekt, der durch die verbesserten Therapiemöglichkeiten und die Hoffnung auf baldige Heilung auftreten kann, entgegenzuwirken. Weltweit sieht die Situation der Ausbreitung von HIV/Aids nämlich deutlich anders aus als in Deutschland, wo sich jährlich 3.200 Menschen neu mit dem Virus infizieren. Nach Angaben von UNAIDS leben heute weltweit etwa 37 Millionen Menschen mit einer HIV-Infektion. Bisher wird nur ein Bruchteil dieser Menschen mit Aufklärungs- und Präventionsangeboten und mit medizinischer Versorgung erreicht. Zur Ausbreitung tragen sexuelle Ausbeutung und Gewalt gegen Frauen und Kinder genauso wie Bedrohung und Verfolgung von homosexuellen Männern bei.“

Deutschland ist eines der Länder mit den niedrigsten Infektionsraten. Seit 2006 sind die Zahlen stabil. 2014 haben in Köln 158 Menschen ein positives Testergebnis mitgeteilt bekommen. Es wird auch in Zukunft zu den Aufgaben der Aidshilfe gehören, die erreichten Erfolge nicht zu gefährden, sondern möglichst passgenaue Präventions-Angebote, wie beispielsweise den Checkpoint, bereitzustellen. Menschen, die sich infiziert haben, so früh wie möglich den Zugang zu einer geeigneten Therapie zu ermöglichen und ihnen durch gute Betreuung und Begleitung zu bestmöglichen Therapieerfolgen zu verhelfen. „Dazu gehört in Zukunft ebenso wie in der Vergangenheit unverzichtbar das Thema Solidarität mit infizierten und krank
en Menschen“, so Prof. Dr. Elisabeth Pott weiter.

Bis heute wird die Arbeit der Aidshilfe durch öffentliche Förderung des Bundes, des Landes Nordrhein-Westfalen und der Stadt Köln unterstützt. Von Beginn an waren es vor allem Bundesmodellprogramme, die halfen, notwendige Strukturen in der Prävention und in der Versorgung aufzubauen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat sich bis heute nicht aus der Verantwortung zurückgezogen, sondern fördert kontinuierlich Präventionsangebote, aber auch Beratungsleistungen über den Landschaftsverband.

Das neue Checkpoint-Angebot in der Pipinstraße erhält vom Land eine zusätzliche finanzielle Unterstützung für die nächsten drei Jahre. Aber auch die Stadt Köln fördert und finanziert die Arbeit aus unterschiedlichen Töpfen. Neben dem Gesundheitsamt, bei dem die Koordination des Aids-Bereichs liegt, ist es insbesondere auch das Sozialamt, das durch Leistungsvereinbarungen Beratungsangebote für Menschen mit HIV und Aids finanziert.

„Wir glauben, dass die Konzepte einer strukturellen Prävention, die wir gemeinsam mit vielen anderen in den letzten dreißig Jahren entwickelt und erprobt haben, nicht nur die Überwindung von HIV und Aids ermöglichen, sondern ebenso geeignete Konzepte für den Umgang mit sexuell übertragbaren Erkrankungen und zur Herstellung von Gesundheit bei benachteiligten Gruppen sind. Wir sind daher auch stolz auf die geleistete Arbeit“, so Vorstandsmitglied Scho-Antwerpes im Rahmen der Jubiläums-Veranstaltung.

Die Aidshilfe Köln ist ein Teil der Stadtgesellschaft und arbeitet in ihren Themenfeldern mit einer Vielzahl von Kooperationspartnern zusammen. Durch die umfangreiche Vernetzung verfügt die Stadt Köln über eine bundesweit modellhafte Vielfalt an Gesundheitsangeboten.

Als Erinnerung verteilte die Aidshilfe an alle Gäste das druckfrische „30 Jahre Aidshilfe Köln Magazin“, das die Aidshilfe in den letzten Wochen anlässlich des Jubiläums erstellt hat. Auf 62 Seiten erhalten die Leserinnen und Leser einen Überblick über die letzten drei Jahrzehnte, aber auch einen Ausblick in die Zukunft.

Das Heft wird ab sofort auch im Empfang der Aidshilfe Köln in der Beethovenstr. 1 ausliegen. Interessierte können es sich dort kostenfrei mitnehmen.

Die Aidshilfe Köln bedankt sich neben den Rednern Christian Naumann, Prof. Dr. Elisabeth Pott und der Musikerin Prof. Dorothee Oberlinger bei: UPS Services, Radeberger Gruppe, Pure White, Regenbogencafé HIVissimo und „Der Blumenladen Mireille Ruch“. Sie alle haben dazu beigetragen, dass der Festakt möglich wurde.

Aktuelle Zahlen für Köln

2014 erhielten in Köln 158 Menschen ein positives Testergebnis. Damit liegt die Stadt im bundesweiten Trend, denn gegenüber dem Vorjahr sind die Zahlen der HIV-Neudiagnosen stabil geblieben. Deutschlandweit haben sich 2014 insgesamt 3.200 Menschen mit dem Virus infiziert. Seit 2006 sind die Neuinfektionszahlen damit in Deutschland weitgehend konstant. Insgesamt leben 83.000 Menschen mit HIV in der Bundesrepublik. 13.200 von ihnen wissen allerdings nichts von ihrer Infektion. Während 2006 rund 72 % der HIV-positiven Menschen eine antiretrovirale Therapie bekamen, waren es im vergangenen Jahr 83 %.

Für sie stehen mittlerweile eine ganze Reihe wirksamer Medikamente zur Verfügung. Dies ist sehr wichtig, denn schon jetzt sehen unter anderem die Universitätsklinik Köln und die spezialisierten HIV-Praxen immer öfter Patient*innen, die erst sehr spät nach der Infektion getestet werden und somit erst spät die Medikamente bekommen können. Manche davon leider auch immer wieder zu spät! Ist das Immunsystem erst einmal durch das HI-Virus stark in Mitleidenschaft gezogen, wird es von Monat zu Monat schwerer, durch die Behandlung den alten Stand wiederherzustellen.

„Wir raten Menschen, die ein HIV-Risiko hatten, sich testen zu lassen. Wir lehnen aber Zwangstests strikt ab. Denn Testsituationen, in denen Menschen nicht frei entscheiden oder aus Angst in einen Test einwilligen, seien kein geeignetes Mittel“, so Michael Schuhmacher, Geschäftsführer der Aidshilfe Köln.

Unter den Infizierten sind 72 % Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), 11,6 % heterosexuelle Frauen und 6,6 % heterosexuelle Männer und 7,5 % intravenös Drogenkonsumierende.

Die Zahl der Diagnosen bei Migrant/innen aus Afrika und Osteuropa, bei denen die Übertragung in den Herkunftsländern stattgefunden hat, ist in den letzten zwei bis drei Jahren gestiegen. In Afrika sind solche Infektionen vor allem auf heterosexuellem Wege erfolgt, in osteuropäischen Ländern über gleichgeschlechtliche Kontakte bei Männern und über intravenösen Drogenkonsum.

In den Beratungsangeboten des Checkpoints oder im Frauen- und Familienzentrum der Aidshilfe Köln nutzen seit Jahren zahlreiche Männer und Frauen mit Migrationshintergrund das niederschwellige Angebot der Beratung und des Tests. Insgesamt drei Viertel aller Beratungen erfolgen bei Menschen mit Migrationshintergrund. Deswegen plant die Aidshilfe Köln im nächsten Jahr ein Wohnangebot für LGBT-Flüchtlinge zu eröffnen, in das diese langjährige Erfahrung einfließen wird.

Wohnraum für LGBT-Flüchtlinge schaffen

Denn trotz der gelungenen Flucht aus ihrem Heimatland sind Massenunterkünfte für LGBT-Flüchtlinge ungeeignet. Nicht selten erleben schwule Flüchtlinge dort Bedrohungen, Erniedrigungen und Gewaltübergriffe, vor denen sie gerade erst erfolgreich geflohen sind. Deswegen werden geeignete Unterkünfte händeringend gesucht. Mit Hilfe von Kooperationen mit anderen LGBT-Organisationen will die Aidshilfe ein Wohnangebot schaffen, um ein Zufluchtsort für diese Flüchtlinge zu sein. Die konkreten Eckpunkte sollen bis Ende des Jahres fixiert werden, um dann den betroffenen Flüchtlingen noch besser helfen zu können.

Weitere Infos unter: www.aidshilfe-koeln.de