BA-Chef Frank-Jürgen Weise über den aktuellen, schwächelnden Arbeitsmarkt

Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit: Dr. rer. pol. h. c. Frank- J. Weise / copyright: Bundesagentur für Arbeit
Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit: Dr. rer. pol. h. c. Frank- J. Weise
copyright: Bundesagentur für Arbeit

Frank-Jürgen Weise, Chef der Bundesagentur für Arbeit meint zur Halbjahresbilanz, dass sie Krise eindeutige Spuren hinterlassen hat. Lesen Sie hier das komplette Interview zur Arbeitsmarktlage.

Herr Weise, wie hat sich und wie wird sich in den nächsten Monaten die Zahl der Arbeitslosen entwickeln?

Frank-Jürgen Weise: Bisher hatten wir angesichts des Ausmaßes der Wirtschaftskrise eine überraschend moderate Entwicklung der Arbeitslosigkeit. In den ersten Monaten dieses Jahres gab es den üblichen Anstieg im Winter und ab März eine spürbare Frühjahrsbelebung – viele Experten hatten eine ganz andere, dramatischere Entwicklung befürchtet. In den kommenden Monaten erwarte ich einen normalen Saisonverlauf, also einen leichten Anstieg während der Sommerferien und dann wieder ein Absinken der Zahlen im Herbst. Der von vielen befürchtete ´große Knall´ bleibt aus.

Also alles eitel Sonnenschein?

Frank-Jürgen Weise: Nein, keineswegs. Ich verkenne nicht, dass immer noch rund 3,4 Millionen Menschen als arbeitslos registriert sind und dass sich die Struktur am Arbeitsmarkt verschlechtert hat: Über 200.000 Vollzeitstellen sind verloren gegangen, dafür sind Teilzeitstellen entstanden. Viele Menschen sind noch in Kurzarbeit. Die Krise hat eindeutig Spuren hinterlassen.

Welche Auswirkungen wird die Euro-Krise auf den Arbeitmarkt in Deutschland haben?

Frank-Jürgen Weise: Kurzfristig keine direkten Auswirkungen. Der schwache Euro kurbelt Exporte an, was gut für die am schwersten von der Wirtschaftskrise getroffenen Branchen sein kann. Aber was wirklich passieren wird, ist nicht vorherzusagen. Risiken gibt es in jedem Fall.

Wie viele Schul- und Studienabgänger können in diesem Jahr in Berufe bzw. Berufsausbildungen gebracht werden?

Frank-Jürgen Weise: Wir können allen Schulabgängern ein Angebot machen. Vielleicht nicht immer für die Traum-Ausbildung, aber es muss niemand zuhause sitzen und nichts tun. Bei den Studienabgängern ist die Lage differenziert: Technische Berufe sind sehr gefragt, Geisteswissenschaften weniger. Hier kommt es darauf an, mit den jungen Leuten auszuloten, was sie wirklich wollen und können.

Wird die Verkürzung des Wehrdienstes Auswirkungen auf die Arbeitslosigkeit unter jungen Männern haben?

Frank-Jürgen Weise: Nein, das ist sozusagen nur ein durchlaufender Posten. Entscheidend ist immer die Zahl der Menschen pro Jahrgang, die in das Berufsleben finden müssen.

Wie lange wird die Kurzarbeit noch dauern? Oder gibt es einen spürbaren Rückgang?

Frank-Jürgen Weise: Es gibt einen spürbaren Rückgang. Im Sommer des vergangenen Jahres waren rund 1,4 Millionen Menschen in Kurzarbeit, heute ist es etwa die Hälfte. Dennoch wird Kurzarbeit auf jeden Fall dieses Jahr noch eine wichtige Rolle spielen, um die Folgen der Krise am Arbeitsmarkt aufzufangen.

Herr Alt spricht sich für strengere Sanktionen gegen arbeitsunwillige Hartz-IVEmpfänger unter 25 Jahren aus. Greifen diese Maßnahmen?

Frank-Jürgen Weise: Ja, allerdings sehen wir große Unterschiede in der Durchsetzung in den verschiedenen Jobcentern. Hier haben wir selbst auch noch Verbesserungsbedarf in der eigenen Organisation und müssen konsequent fordern. Es ist richtig, gerade jungen Menschen klare Auflagen zu machen und das Brechen von Absprachen zu sanktionieren. Junge Leute dürfen nicht das Gefühl bekommen, dass der Staat für sie aufkommt. Eine Aussage wie “Ich mach’ Hartz IV” ist doch fatal.

Autor: Redaktion/ Bundesagentur für Arbeit