Süßes ohne Reue: Süßkraut Stevia könnte eine ganze Branche revolutionieren

Steffen Jarzombeck, Vertriebsleiter der Deutschland der Firma Barry Callebaut, präsentiert während der Internationalen Süßwarenmesse ISM in Köln am Stand der Firma eine Stevia-Pflanze (Stevia rebaudiana). Nach jahrzehntelanger Diskussion wurde am 02. Dezember 2011 das Extrakt aus der Steviapflanze als Süßungsmittel in Lebensmitteln in Deutschland zugelassen. Das Produkt ist bis zu 300mal süßer als Zucker, aber mit massiv weniger Kalorien. / copyright: Roberto Pfeil / dapd
Steffen Jarzombeck, Vertriebsleiter der Deutschland der Firma Barry Callebaut, präsentiert während der Internationalen Süßwarenmesse ISM in Köln am Stand der Firma eine Stevia-Pflanze (Stevia rebaudiana). Nach jahrzehntelanger Diskussion wurde am 02. Dezember 2011 das Extrakt aus der Steviapflanze als Süßungsmittel in Lebensmitteln in Deutschland zugelassen. Das Produkt ist bis zu 300mal süßer als Zucker, aber mit massiv weniger Kalorien.
copyright: Roberto Pfeil / dapd

Schokolade mit Möhren, Aloe Vera oder Lakritz: Die über 1.400 Aussteller auf der Internationalen Süßwarenmesse (ISM) in Köln stellen die Geschmäcker der Naschkatzen auf die Probe. Gleichzeitig beginnt mit der weltweit größten Messe für Süßes ein Experiment mit dem Grundstoff der ganzen Industrie, dem Zucker.

Das neue Süßungsmittel wird zur Zeit auf der Internationalen Süßwarenmesse in Köln vorgestellt. Der wichtigste Rohstoff der Branche wurde im vergangenen Jahr knapp und damit teuer – Schuld daran soll das umstrittene Quotensystem der Europäischen Union (EU) sein, heißt es beim Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI). Außerdem ließ die EU nach jahrzehntelanger Diskussion Anfang Dezember 2011 Stevia als Lebensmittel zu – ein neues und möglicherweise revolutionäres Süßungsmittel.

Das aus Südamerika stammende Kraut ist rund 300 Mal süßer als Zucker und enthält kaum Kalorien. Neben kalorienreduzierten Produkten könnte es Diabetikern zu Gute kommen, schwärmen Experten. Zudem gilt es als natürliche Süße im Gegensatz zum Industriezucker und verursacht angeblich kein Karies. Heute wird es vor allem in China angebaut.

Neuer Geschmack und neue Rezepturen

“Die Nachfrage der Industrie ist groß”, sagt Steffen Jarzombeck von Barry Callebaut, dem nach eigenen Angaben größten Hersteller von Rohschokolade. Ersetzen werde es den Zucker nicht, “aber eine Alternative sein”, ist er sicher. Sein Unternehmen hat schon vor der Zulassung durch die EU verschiedene Rezepte mit Stevia entwickelt, heraus kam zum Beispiel Schokolade mit rund 30 Prozent weniger Kalorien.

Anfangs sei es gar nicht so einfach gewesen, Stevia als Zuckerersatz in die Schokolade zu bringen. Weil das Kraut viel süßer ist und viel weniger davon hinzugefügt werden muss, habe Masse im Endprodukt gefehlt. Auch mit dem lakritzartigen Geschmack hätten sie lange experimentieren müssen, sagt Jarzombeck.

Diabetiker sollten Stevia mit Vorsicht genießen

Dunkle Schokolade, aber auch die Kombination mit Früchten sei die Lösung, sagt ein Sprecher von Cavalier. Das Unternehmen produziert edle belgische Schokolade – bald vollständig zuckerfrei und am besten nur mit Stevia, so die Pläne des Unternehmens. Ziel sei hier nicht der Durchschnittskonsument, sondern Genussmenschen, die auf Geschmack, Nachhaltigkeit und Gesundheit setzen, sagt ein Sprecher des Unternehmens.

Die Probleme mit dem Geschmack hatten Softdrink-Hersteller wie Coca Cola nicht, die Stevia in den USA seit Jahren als Zuckerersatz verwenden. Auch bei Pit, einem Hersteller für süße Pillen, war die Integration des Süßkrauts ohne weiteres möglich. Man schmecke durch die vielen anderen Aromen keinen Unterschied, “aber noch sind wir am experimentieren”, sagt Sprecher Bertram Zehetbauer. Bis vor kurzem sei Stevia nur als Badezusatz zugelassen gewesen, sagt er.

Noch handele es sich um ein “absolutes Nischenprodukt”, erklärt Hans Strohmaier vom Verband Sweets Global Network. Nur etwa 20 bis 25 der Aussteller auf der Süßwarenmesse haben Strohmaier zufolge das Produkt in den Auslagen. Auch Experten warnen, dass Diabetiker nicht unbegrenzt Stevia konsumieren könnten. Die Experimente stünden noch am Anfang, heißt es zur Begründung.

Das Süßkraut Stevia in fünf Daten

  • Die Pflanze Stevia rebaudiana Bertoni wurde 1887 von einem Schweizer Botaniker für Europa entdeckt.
  • Indigene in Paraguay und Brasilien nutzen das Kraut schon seit Jahrhunderten als Süßungsmittel für Tee.
  • Seit Dezember ist Stevia als Steviolglycoside als Lebensmittel in der EU zugelassen.
  • Stevia soll etwa 300 Mal süßer als Zucker sein, im Vergleich dazu kaum Kalorien haben und kein Karies verursachen.
  • China und Japan entdeckten Stevia schon vor Jahren als Süßungsmittel für Tee. Das Kraut wird dort in großem Umfang angebaut.

Autor: Redaktion / dapd / http://bvap.de