Der "falsche Herzinfarkt" – warum das akute Aortensyndrom so lebensbedrohlich ist

Um sicher abzuklären, ob ein akutes Aortensyndrom vorliegt, sollten neben einem EKG und einer Computertomographie-Aufnahme auch die Laborwerte des Blutes bestimmt werden. / copyright: Wörwag Pharma / djd
Um sicher abzuklären, ob ein akutes Aortensyndrom vorliegt, sollten neben einem EKG und einer Computertomographie-Aufnahme auch die Laborwerte des Blutes bestimmt werden.
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Der Schmerz im Brustkorb ist von nie gekannter Stärke, doch es ist kein Herzinfarkt. Die klassischen Symptome wie kalter Schweiß, Ausstrahlung in den linken Oberarm und Kieferbereich etc. fehlen nämlich ebenso wie eine tatsächliche Engstelle an den Herzkranzgefäßen, die eigentlich für die Minderversorgung des Herzmuskels mit Blut verantwortlich ist.

Aber dennoch haben die Betroffenen Todesangst, weil die Schmerzen so einschneidend sind, und stehen vor einem Rätsel. Oftmals werden sie falsch behandelt, weshalb in den rund ersten drei Wochen gut ein Viertel der Betroffenen verstirbt.

Eine Tragödie, die verhindert werden kann, wenn der Patient rechtzeitig in ein zertifiziertes Gefäßzentrum eingewiesen wird, wie Dr. Thomas May, Chefarzt der Gefäßchirurgie im Krankenhaus Porz am Rhein, auf dem 3. “May & May”-Ärztesymposium im Kölner Hyatt-Hotel (25.10.2014) erklärt, zudem über 100 Mediziner aus ganz NRW kamen.

Es ist nämlich gar nicht das Herz, das die Beschwerden auslöst. Die Ursache ist vielmehr in unmittelbarer Nähe zu finden, weshalb viele Betroffene und auch manche Ärzte im ersten Moment an einen Herzinfarkt denken. Unmittelbar nach dem Herzen gelangt das sauerstoffangereichterte Blut mit starkem Druck in das größte Blutgefäß des menschlichen Körpers, die Aorta. Unter diesem abrupten Druck kann es in der Gefäßwand der Aorta zu kleinen Einrissen kommen – Experten nennen dies “akutes Aortensyndrom”. Der Riss geht nicht durch die gesamte Gefäßwand nach außen, sondern beschädigt lediglich die Innenhaut des Gefäßes. Der Patient verblutet also nicht, aber der Riss kann sich über weite Strecken durch die Aorta ziehen – und je nach Art des Risses kann die lose Innenhaut mitunter regelrechte Taschen im Gefäß bilden, in dem sich das Blut staut und verklumpt.

Das Risiko für ein akutes Aortensyndrom wird merklich größer, wenn die Gefäßwände durch erbliche Vorbelastung oder aufgrund fortschreitender Kalkablagerungen (Arteriosklerose) weniger elastisch werden. Aber auch Bluthochdruck (Arterielle Hypertonie), das männliche Geschlecht, das Alter (älter als 70 Jahre), Nikotin und Drogenkonsum können einen derartigen Vorfall begünstigen. Nicht zuletzt gelten entzündliche Gefäßerkrankungen wie etwa eine rheumatische Arthritis als Risikofaktor.

Um sicher abzuklären, ob ein akutes Aortensyndrom vorliegt, sollten neben einem EKG und einer Computertomographie-Aufnahme auch die Laborwerte des Blutes bestimmt werden. Hier ist vor allem ein Wert wichtig, der so genannte D-Dimer-Wert. Liegt er bei unter 0,1 Pikogramm pro Milliliter Blut, lässt sich eine akute Aortendissektion ausschließen. Ist er jedoch erhöht, kann im Prinzip von einem akuten Aortensyndrom ausgegangen werden. Weitere Untersuchungen werden damit auf jeden Fall nötig. Als Diagnostikum der Wahl gilt hierbei die Computertomographie.

Kommt es zu einer Operation, können Gefäßchirurgen die Stelle des Risses im Gefäß mit eine Art Prothese abdichten, die wie ein “Rohr ins Rohr” (sprich: ins Gefäß) gelegt wird. Der Eingriff lässt sich minimalinvasiv vornehmen. Der Brustkorb muss also in diesen Fällen nicht geöffnet werden; es reicht der Zugang zum Gefäßsystem per Katheter über die Leistenvene. Anschließend muss der Patient engmaschig in der Nachsorge bleiben.